spd und landowsky: Schon wieder in der Falle
Noch immer zählt Klaus Landowsky die Tage: Genau drei Wochen sind jetzt vergangen, seit der CDU-Fraktionschef die Annahme einer illegalen Barspende gestehen musste. Drei Wochen, in denen – mit kleinen Variationen – jeden Morgen der immer gleiche Satz in den Zeitungen stand: „Die SPD erhöht den Druck auf ihren Koalitionspartner.“
Die Frage ist, wie lange man den Druck erhöhen kann, ohne eine Explosion zu riskieren. Womöglich hat die SPD diesen Punkt in der vergangenen Woche überschritten. „Wir beharren darauf, dass die CDU personelle Konsequenzen zieht“, erklärte Fraktionschef Klaus Wowereit. Was passiert, wenn es diese Konsequenzen nicht gibt, wollte er allerdings nicht sagen.
Kommentar von RALPH BOLLMANN
Der Grund dafür liegt nahe: Die SPD weiß es selbst nicht. Daran hat sich trotz des rhetorischen Crescendos nichts geändert. Neuwahlen wird es ohne die CDU nicht geben, einen Koalitionswechsel traut sich die SPD nicht zu. Es bleibt nicht einmal der Weg, die Union in einem Minderheitssenat allein zu lassen: Weil die Ressortchefs in Berlin direkt vom Parlament gewählt werden, könnte Diepgen ohne die Stimmen der SPD gar keine neuen Senatoren ernennen. Die drei Sozialdemokraten müssten geschäftsführend im Amt bleiben.
Mit einem empfindlichen Übel, das Landowsky zum Rücktritt nötigen könnte, kann die kleinere Koalitionspartei also gar nicht drohen. Deshalb ist die Affäre für die SPD ein viel größeres Problem als für die CDU. Die Union, der die Angriffe nach außen zu einer ungewohnten Geschlossenheit verhelfen, setzt deshalb auf das Prinzip Aussitzen. Damit ist die Partei in Hessen viel besser gefahren als mit den Rücktritten im Bund. Ein Führungswechsel unter dem Druck einer Affäre, das haben die Christdemokraten aus den Erfahrungen mit Merz und Merkel gelernt, führt nur in neue Turbulenzen.
Es ist daher höchst ungewiss, ob ein Rücktritt Landowskys der CDU überhaupt nützen würde – zumal das Gedächtnis der Wähler kurz und ihr Interesse an Affären begrenzt ist. Sicher ist nur eines: Ein solcher Schritt würde die SPD aus ihrem ausweglosen Dilemma befreien, und schon deshalb kann die Union daran kein Interesse haben.
Je lauter die SPD nach einem Rücktritt ruft, den sie nicht erzwingen kann, umso tiefer stürzt sie selbst. Doch die Partei hat kaum eine Wahl: Hätte sie geschwiegen, dann wäre sie bei ihrer Wählerschaft erst recht unten durch. Für kurze Zeit war es der SPD-Spitze gelungen, mit ungewohntem Feingefühl auf dem schmalen Grat zwischen beiden Alternativen zu balancieren. Doch die Berliner SPD sitzt wieder einmal in der Falle. Aus der kann sie sich mit feinsinniger Wortklauberei auf die Dauer nicht befreien.
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