sex, lärmbelästigung etc.: Im Bett mit dem Stirnhackerkäferchen
Das große Knistern
Seit zwei Wochen weckte mich nachts ein knisterndes Knacken an meinem Kopfende. Wenn ich den Kopf hob, um die Ursache dieses knisternden Knackens zu finden, hörte es auf. Wenn ich mich wieder ins Kissen kuschelte, ging es aber sofort wieder los. Selbst wenn ich mich mit dem Kopf ans Fußende drehte, konnte ich nicht weiterschlafen. Das knisternde Knacken folgte mir.
Dagegen ist das Technogewummer, mit dem mich mein neuer Obermieter zu wecken pflegt, wenn er am Sonntagvormittag nach Hause kommt, direkt noch nichts. Einmal wollte ich mich bei ihm beschweren. Als ich dann an seiner Tür lauschte, stellte ich allerdings fest, dass das Gewummer nur deshalb so laut war, weil es sein Gebrüll übertönen musste. Ich habe mich dann doch lieber nicht beschwert.
Es ist nicht das Schlechteste, wenn man weiß, woher die Geräusche stammen. Ein anonymes knisterndes Knacken macht einen dagegen völlig wahnsinnig. Ein paar Nächte verbrachte ich im Halbschlaf. Dann kaufte ich mir eine Taschenlampe und legte mich damit auf die Lauer. Ich stellte mich schlafend und hielt die Taschenlampe bereit. Als es das nächste Mal in meinem Zimmer knisternd zu knacken begann, schlug ich zu. Das Knacken hörte zwar sofort auf, aber ich hatte den Bösewicht im Lichtkegel. Es handelte sich um ein stecknadelkopfgroßes braunes Käferchen.
Es stellte sich dumm, aber die Sorte kannte ich. Mir fiel nämlich ein, dass ich vor Jahren schon einmal so ein Käferchen beobachtet hatte. Es sind so genannte Stirnhackerkäferchen, für die im Herbst die Paarungszeit kommt. Es gibt aber nur noch sehr wenige von ihnen auf der Welt. Sie suchen meist das ganze Jahr über vergebens nach einem Käferweibchen und bekommen irgendwann Torschlusspanik.
Dann fangen sie an, mit der Stirn gegen den Boden zu schlagen. Wenn ein Weibchen das hört, putzt es sich die Zähne und atmet noch mal tief durch. Für das Männchen geht es wirklich um die Wurst, denn wenn es kein Weibchen findet, schlägt es immer verzweifelter mit dem Kopf auf den Boden, bis es solche Kopfschmerzen bekommt, dass es keine Lust mehr auf Sex hat. Dann kullert es sich beleidigt in eine Holzritze und schmollt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in so einer Holzritze zufällig mal ein Weibchen vorbeiguckt, ist praktisch gleich null. Sie ist fast so gering wie die Wahrscheinlichkeit, dass ich da mal mit dem Staubsauger vorbeigucke. JOCHEN SCHMIDT
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