schnittplatz: Hans im Glück
Damit hätten wir nun wirklich nicht gerechnet: Nach beinahe zweijährigen Verhandlungen übernimmt RTL den Nachrichtenkanal n-tv.
Dabei politalkt Sandra Maischberger doch längst beim großen neuen Bruder im „Kreuzfeuer“, schon in Afghanistan hatte man sich Korrespondenten geteilt.
Sei’s drum: Nun erfolgt also die offizielle Aufnahme des Nachrichtenkanals in die große weite RTL-Fernsehfamilie. Natürlich nicht ganz, zunächst muss sich die Fernsehtochter des großen Medienmultis Bertelsmann mit den 43,7 Prozent bescheiden, die der kleine Medienmulti Holtzbrinck abgibt. Dafür – und für den angeblichen Kaufpreis von 170 Millionen Euro – legt Holtzbrinck immerhin noch seine Radiobeteiligungen drauf. Wenn das Kartellamt zustimmt, gehören Bertelsmann-RTL demnächst noch so schöne Dinge wie Anteile an Hit-Radio Antenne, Radio Regenbogen und Radio Gong.
Hansi Mahr müsste man heute also sein. Seit Jahren träumt der RTL-Informationsdirektor vom eigenen Nachrichtenkanal; jetzt hat er ihn. Dummerweise ist der Wiener, der wie kein zweiter vernuschelte Interviews mit Boxprofis zu führen weiß, nicht nur für die „operative Zusammenarbeit“ von RTL und n-tv im sportjournalistischen Sinne zuständig. Mahr ist seit 1999 auch stellvertretender Geschäftsführer seines Senders. Und sieht denn auch gemeinsame Synergieeffekte – sprich: erhebliche Einsparpotenziale. Treffen dürften die zur Hauptsache den in jeder Hinsicht gewindbeutelten Nachrichtenkanal. n-tv schreibt nach den fetten Börsenhype-Jahren 1999/2000 rote Zahlen.
Doch weil auch der zweite Großgesellschafter AOL Time Warner immer mal wieder Rückzugsabsichten verkündet, gilt n-tv-Insidern die neue familiäre Anbindung zunächst mal als Rettung denn als Gefahr. Schließlich frohlockt auch RTL-Chef Gerhard Zeiler über den planmäßigen Ausbau von „Deutschlands führendem Nachrichtensender“.
Wie hoch Informations- und Nachrichtenkompetenz bei Deutschlands führendem Unterhaltungssender angesehen sind, zeigt derweil das neueste RTL-Info-Format: Ab Oktober sucht RTL den klügsten Geistlichen. Die Moderation übernimmt zum Glück nicht Sandra Maischberger, sondern die auf sonderbare Quizzsendungen abonnierte Sonja Zietlow. STG
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