rot-rote koalition: Das letzte Wort steht noch aus
Ein jeder, der Ohren hat zum Hören und Augen zum Lesen, weiß: Seit dem 11. September ist nichts mehr wie es einmal war. Auf diese Formel können sich alle einigen, die in der Öffentlichkeit das Wort erheben. Und tatsächlich: Auch die politische Lage in Berlin verändert sich nach den Terroranschlägen auf New York und Washington und vor allem nach der militärischen Reaktion darauf. Eine Senatsbeteiligung der PDS nach den Wahlen am 21. Oktober scheint heute unwahrscheinlicher denn je.
Kommentar von ROBIN ALEXANDER
Dabei galten die lange Jahre isolierten SED-Nachfolger schon beinahe als sichere Koalitionspartner der Sozialdemokraten, nachdem Klaus Wowereit das alte Tabu gebrochen hatte. Aber jetzt steht die Koalitionsfähigkeit der PDS erneut in Frage, da die Partei der ehemaligen NVAler und Volkspolizisten nicht vorbehaltlos „Ja“ zur amerikanischen Gewalt sagen mag. Dies ist keine Polemik, sondern wertungsfreie Feststellung von Tatsachen: Regierungsfähigkeit bedingt für Schröder und Münterfering in diesen Tagen Bündnisfähigkeit. Und Bündnisfähigkeit heißt in diesen Tagen nicht Kriegsbegeisterung, aber doch Bereitschaft zum Krieg. Soweit ist die PDS – anders als die Grünen – noch nicht. Hat sich am 11. September also auch die Machtfrage in Berlin entschieden?
Ein Sozialdemokrat schweigt beharrlich zum Thema: Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister. Denn Wowereit, der sein Amt ja der PDS im Abgeordnetenhaus verdankt, mag auch eine schwächelnde, isolierte PDS nicht aufgeben. Er braucht einfach jede Option. Zu unsicher ist der andere mögliche Partner für die SPD und ihr grünes Beiboot: Eine unerfahrene FDP im Höhenflug, die darauf brennt, sich schon in den Koalitionsverhandlungen zu profilieren. Da könnte die PDS am Ende doch der „billigere“, also kompromissbereitere und verlässlichere Partner für die SPD werden. Wer Berlin regiert, ist nicht am 11. September entschieden worden und wird auch nicht am 21. Oktober entschieden. Sondern erst in den Koalitionsverhandlungen danach.
bericht SEITE 22
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen