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"Kein Umweg zu Pay-TV"

■ Der scheidende ARD-Vorsitzende Albert Scharf über "Prima-TV" und die digitale Zukunft der ARD

Im Herbst will die ARD, kritisch von den Länderministerpräsidenten beäugt, mit drei Digitalangeboten beginnen, die ARD-Programme verknüpfen sollen – Schlagwort „Vernetzen statt Versparten“. BR- Intendant Albert Scharf (62) amtiert bis Jahresende als Vorsitzender der ARD, die er in den vergangenen zwei Jahren nach innen zusammenhalten, nach außen gegen das „Zurechtstutzungswerk“ seines Regierungschefs Edmund Stoiber und anderer verteidigen mußte. Als die ARD-Intendanten in der letzten Woche MDR-Chef Udo Reiter zu Scharfs Nachfolger wählten, mußten sie auch über „Prima-TV“ sprechen. Von diesem Projekt des Chefs der BR/MDR/SWF/SDR-Tochter „Telepool“ war vermutet worden, es solle zum Einstieg ins Pay-TV dienen.

taz: Mit der Digitalisierung verändert sich die Medienordnung rasant. Wie Sie im ARD-Jahrbuch schreiben, wird das duale zum „trialen System“ aus gebühren-, werbe- und abofinanziertem TV. Da wird die ARD fast zwangsläufig schwächer. Wird sie sich überhaupt behaupten können?

Albert Scharf: Eine Schwächung sehe ich nicht. Ich glaube, daß der Rundfunk für jedermann, wie wir ihn liefern wollen, im Wust der Angebote wichtiger sein wird.

Sie wollen auf die Entwicklung mit dem Konzept „Vernetzen statt Versparten“ reagieren, das eine – auch technische – Alternative zum Pay-TV etablieren will.

Ich glaube, daß wir insofern für die Zukunft besser gerüstet sind als andere, weil wir – zusammen mit dem ZDF – bereits über ein Bouquet von 13 Programmen verfügen, das, digital aufbereitet, individuell nutzbar wird. Wir müssen nicht wie andere mit ungewissem Erfolg Milliarden in Inhalte investieren – wir haben sie bereits.

Das ZDF geht mit seinen Inhalten anders vor und verkauft sie auch an Kirch. Wäre nicht ein vernetztes Angebot aller Öffentlich- Rechtlichen besser gewesen?

Darüber haben wir auch lange gesprochen. Aber ich verstehe das Argument des ZDF-Intendanten, daß sich sein Haus dabei etwas verloren vorgekommen wäre.

Sie setzen auf Digitalisierung ohne Pay-TV. Was aber, wenn Pay-TV der große Erfolg wird?

Ich glaube das für die erste Zeit nicht. Pay-TV ist nicht unsere Sache. Wir müssen dafür sorgen, daß es nur ein Zusatzangebot bleibt.

Aber die Programmkosten explodieren. Kann man, wenn die Zusatzangebote doch Anklang finden, interessante Programme denn überhaupt noch ins Öffentlich-Rechtliche holen, ohne mit Pay-Anbietern zu kooperieren?

Die Explosion haben wir ja bereits, und sie wird sich noch fortsetzen, bis alle merken, daß sich bei den Preisen nichts mehr refinanzieren läßt. Dennoch wird der Kampf um Exklusivrechte weitergehen, das ist Bestandteil des Geschäfts. Die Zeit, in der wir alles hatten, ist sicherlich vorbei.

Wer Inhalte hat, wird sie mehrfach verwerten müssen. Wie kann man denn im Rechtehandel mithalten, wenn man nur einfach verwerten kann, im Free-TV?

Da kann man sich sicher irgendwann Verschränkungen zwischen Pay- und Free-TV-Verwertung vorstellen. Aber das ist zuerst die Entscheidung der Rechteinhaber, die auch vom Publikum abhängt.

Sie haben vergangene Woche den Versuch des „Telepool“-Geschäftsführers, eine eigene Pay- Plattform „Prima TV“ zu installieren, verteidigt, Kooperationsabsichten mit Pay-TV-Projekten aber bestritten. Wie das?

Der „Telepool“-Geschäftsführer Horst Vetter hat „Prima-TV“ nicht gegründet. Das ist ein Projekt, das woanders entstanden ist und auf das die „Telepool“ im Rahmen ihrer Programmhandelsbeziehungen in den USA gestoßen ist. Da sind wir dann drangeblieben. Aber nicht um da unser Programm vermarkten zu lassen, sondern weil es ganz wichtig ist, daß man mit den Großen dieser Filmwelt Kontakt hat. Es ging nie um einen Umweg zu Pay-TV.

Eine programmliche Kooperation mit einer derartigen Firma schließen Sie aus?

So ist es. Wobei eine Tochterfirma wie Telepool ja auch über andere Programme verfügt, an denen die ARD gar nicht interessiert ist.

Muß die öffentliche Debatte um die Zukunft der ARD, die mit den Diskussionen um die mögliche Abschaffung des Ersten begann, angesichts des Einstiegs ins triale System nicht weitergehen?

Der Grundkonsens in der Gesellschaft ist, daß diese Art von Rundfunk gerade in dieser Medienlandschaft unersetzbar ist – das hat jene Debatte gezeigt. Dieser Konsens wird sicherlich immer wieder in Frage gestellt werden. Da muß man genau hinschauen, woher das kommt. Meistens sind Eigeninteressen unserer Konkurrenz im Spiel. Solange die ARD immer noch ein Viertel des Gesamtmarkts erreicht, haben wir keinen Grund, uns zu verstecken.

Ihre unternehmenspolitische Situation gegenüber der Konkurrenz haben Sie unlängst als problematischer beschrieben.

Das ist ein Problem unserer Binnenstruktur: Von uns erwartet man, daß wir unsere Unternehmens- und Programmstrategie öffentlich ausbreiten, während unsere Konkurrenten im stillen wirtschaften. Das ist ein Wettbewerbsnachteil. Interview: Lutz Meier

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