Wirtschaftsverhör: "Innovativer Softie" ?
■ Alfred Herrhausen, einer von zwei Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank zum Forderungsverzicht und dem "Bolivien–Modell"
taz: Herr Herrhausen, sind Sie ein innovativer Softie? Herrhausen: Ich glaube eigentlich nicht. Ich versuche Lösungsansätze zu entwickeln, die man unter dem Begriff Innovation subsumieren kann. Softie ist eine gewisse Abwertung, die ich nicht gelten lassen kann. Wie stehen Sie denn da in ihrer Banker–Gesellschaft mit Ihren Vorschlägen bezüglich eines Forderungsverzichtes? Ich habe bisher nicht sehr viele Kollegen gefunden, die diesen Forderungen gefolgt wären. Aber damit kein Mißverständnis entsteht: ich habe keinen Vorschlag eingebracht, auf Forderungen zu verzichten. Ich habe nur versucht darzustellen, daß es unter den Verfahren, die zur Zeit mit den Schuldnerländern verhandelt werden, solche gibt, die letztlich auf einen Forderungsverzicht hinauslaufen. Das Modell, daß alle Gläubigerbanken Boliviens ihre Forderungen auf dem Second Hand– Markt mit starken Abschlägen an das Land zurückverkaufen, hört sich ja recht innovativ und soft an. Stammt das von Ihnen. Nein. Warum haben Sie vorhin eigentlich gemeint, daß Bolivien ein Einzelfall bleibe? Auch wenn bei kapitaleren Schuldnerländern die Banken weit größere Einbußen hinnehmen müßten, so gibt es doch noch Länder in ähnlichen Größenordnungen wie Bolivien, Peru oder die ärmsten Länder Afrikas. Bei denen sind ja die Banken weit weniger beteiligt als die Regierungen. Und die haben ja schon zu einem großen Teil nachgelassen. Die Bundesregierung teilte vor kurzem mit, daß sie in der Größenordnung zwischen vier und fünf Milliarden Dollar Schulden gestrichen hat. Aber uns geht es in erster Linie um das Problem der Schwellenländer, und das sind ja nun mal Länder wie Brasilien, Argentinien und Mexiko. Aber es ist doch absehbar, daß Peru jetzt ähnliche Anliegen an die Banken herantragen wird. Peru hat ja schon solche Forderungen aufgestellt, dort ist man doch eigentlich am radikalsten... ...aber nur verbal... Nein, die zahlen tatsächlich nicht mehr. Was bei dem Bolivien–Arrangement noch fehlt, ist ja wohl die Bereitschaft der Regierungen der Gläubigerländer, Gelder in einen Fonds einzuzahlen, aus dem die zehn bis 15 Prozent des Nennwertes der Kredite für den Ankauf durch Bolivien beglichen werden. Wie weit die Gespräche sind, weiß ich nicht. Die Aussichten halte ich nicht für sehr groß. Bisher haben die Regierungen zurecht darauf bestanden, daß die Lösung nicht darin liegen kann - mal abgesehen von den ärmsten Ländern - daß man den betroffenen Ländern ohne deren Selbsthilfe durch Forderungsnachlaß großen Stils entgegenkommt. Das wäre ja bei Bolivien der Fall, wenn man bis auf zehn Prozent heruntergeht. Selbsthilfe könnte hier etwa die Anwendung geeigneter wirtschaftlicher Programme zur Wiedergesundung heißen. Das hieße doch aber, daß die Aussichten für die Vereinbarung nicht günstig stehen. Ich wäre jedenfalls mal zurückhaltend in der Beurteilung des tatsächlichen Ausgangs. Muß denn ein Land so sehr wie jetzt Bolivien am Boden liegen, bis die Banken zu solchen Zugeständnissen bereit sind? Nein. Unser Versuch geht ja genau in die andere Richtung. Wir sprechen ja mit den Ländern, um zu verhindern, daß sie in solch eine Lage kommen. Interview: Ulli Kulke McCASH FLOWS ORAKEL
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