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KOMMENTAR"Gladio" der Fall fängt erst an

■ Das Eingeständnis der Bundesregierung läßt viele Fragen offen

Es ist also endlich heraus: Fast als letzte Regierung eines Nato-Staates hat auch die Bundesregierung die Existenz einer geheimen Organisation in ihrem Land zugegeben, die jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen war und ist und die offenbar paramilitärische und möglicherweise noch andere illegale Tätigkeiten ausgeübt hat. Daß es hierzulande besonders lange gedauert hat, ist aber nicht nur dem zähen Mauern der Verantwortlichen zuzuschreiben: Erstaunlich indifferent haben sich da auch die Medien verhalten. Während in Italien die Affäre „Gladio“ zur Verfassungskrise führte, in Belgien die nicht unterrichteten Politiker zeterten, tat bei uns die Journaille lange Zeit gar nichts, um der Sache auf die Spur zu kommen.

Die taz hat als erste Zeitung schon vor zwei Wochen die Frage nach einem deutschen Pendant zu „Gladio“ aufgeworfen und schließlich auch Hinweise für dessen Existenz geliefert. Daß dies — ebenso wie die darauf erfolgte Anfrage der Grünen, auch schon gute zehn Tage her — kein Beben auslöste, zeigt wieder einmal, wie die Regierungspolitiker darauf bauen, daß Dinge nur dann zum Skandal werden, wenn sich auch die „bürgerliche“ Presse und die Parteienwelt auf ein Thema werfen. Die aber kümmerten sich ernsthaft erst um die Affäre, als die Regierungen der Nato-Partnerstaaten reihum geständig wurden. Die Frage ist, warum so enthüllungsfreudige Medien wie der 'Spiegel‘ und der 'Stern‘ über die bundesrepublikanische Seite dieses Riesenskandals bisher überhaupt nicht berichteten. Auch 'Stern-TV‘ sprang erst am Mittwoch — nach dem Geständnis der Bundesregierung — mit Informationen über die Rekrutierung von deutschen Gladiatoren in rechtsradikalen Kreisen auf den Zug auf.

Allein mit Verschlafen läßt sich dies alles wohl nicht begründen. Daß man „Gladio“ zunächst allenfalls als Relikt des kalten Krieges ansah, ist keine Ausrede — die Meldungen aus Italien, Belgien, Griechenland und Frankreich zeigten schon vorige Woche, daß die Seilschaft weiterbesteht.

Allein mit dem Geständnis, daß die Gladiatoren allenthalben weiterwerkelten, darf man die Regierungen nicht davonkommen lassen; auch nicht mit dem Hinweis, daß es da irgendwelche Geheimabkommen beim Nato-Beitritt gegeben hat, die die Einrichtung spezieller, nur einigen Geheimdienstlern und den Regierungschefs bekannter Sonderdienste vorsahen. Was jetzt auf den Tisch muß, sind die Namen — und zwar alle — der Mitarbeiter, Zuarbeiter, Verbindungsleute vom deutschen „Gladio“. Nur dann läßt sich eine Durchleuchtung der Gesamtaktivitäten der famosen Krieger bewerkstelligen. Immerhin gibt es aus anderen Ländern, zum Beispiel Italien, sehr konkrete Hinweise, daß die Gladiatoren nicht nur Guerilla-Einsätze probten, sondern kräftig in der Innenpolitik mitmischten und Attentate deckten.

Und was ebenso nottut, ist die Fahndung nach jenen Politikern, die nach dem in Italien bekannt gewordenen Dreistufenplan, dessen Gültigkeit sich auf den gesamten Nato-Bereich erstreckt, mit CIA- Dollarmillionen bestochen wurden. Und nach jenen Personen, die der Plan als „Einflußagenten“ ausweist — Lobbyisten, Verleger und Journalisten, die über persönlichen Druck auf Entscheidungsträger, vor allem aber über die Öffentlichkeit, politische Konstellationen steuern sollten. Werner Raith

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