: "Das wäre doch eine Schandtafel!"
■ Eine Doppelstunde zur "Kempinski"-Geschichte zur gleichen zeit ganz nah beieinander: Fritz Teppich, der Gerechte, pocht auf die Gedenktafel, die Hoteliers wollen sich ihr Geschäft nicht schädigen lassen
Die Kontrahenten sahen und hörten sich nicht. Aber sie saßen gestern hundert Meter voneinander entfernt und empfingen die Presse zum gleichen Thema. Nämlich zur Frage, ob das Hotel „Kempinski-Bristol“ durch seinen Namen und das damit verbundene jüdische Renommee noch heute von der 1937 erfolgten „Arisierung“ der M. Kempinski & Co profitiere oder ob all diese Vorwürfe nur Verleumdungen sind.
Auf der einen Seite – im Hotel am Kurfürstendamm/Ecke Fasanenstraße – berichten das extra aus Hamburg angereiste Vorstandsmitglied Karl Th. Walterspiel, flankiert von seinem Berliner Rechtsanwalt Bezenburg, ihre Version der Geschichte. Auf der anderen Seite, im Literaturhaus Wintergarten in der Fasanenstraße, warteten Fritz Teppich, begleitet vom Sprecher des Jüdischen Runden Tisches, Peter Moses-Krause, mit ihrer „wahrheitsgetreuen Geschichte“ auf.
Beide Parteien verteilten Dokumente, Zusammenfassungen, und beide Parteien behaupteten, die andere Seite verdrehe, lüge, frisiere sich die Tatsachen zurecht. Und was das Ganze pikant macht: Die unversöhnlichen Gegner berufen sich gleichermaßen lobend auf eine im Mai erscheinende Chronik der seriösen Historischen Kommission: auf die vierjährige Forschungsarbeit der Historikern Eva Pracht.
Zum Beispiel: Fritz Teppich, Bevollmächtigter und Onkel des in London lebenden Namensträgers Tom Kempinski, fordert Gedenktafeln an allen 18 Häusern des Konzerns, auf denen klipp und klar erwähnt wird, daß das jüdische Unternehmen 1937 mit Hilfe von Paul Spethmann zugunsten der Aschinger AG „arisiert“ wurde. Spethmann sei Vorstandsmitglied von Aschinger gewesen und bis 1935 auch Vorstandsmitglied der Aschinger-Tochter „Hotelbetriebs AG“. Genau dieser „schwerstbelastete Konzern“ aber habe Ende 1952/Anfang 1953 die noch vorhandenen Kempinski-Reste aufgekauft – und zwar unter Leitung von Paul Spethmann. Diese Kontinuität müsse auf einer Gedenktafel erkennbar sein, fordert Teppich.
„Das wäre doch keine Gedenktafel, sondern eine Schandtafel“, widerspricht Walterspiel. Die Hotelbetriebs AG von 1952 habe mit der „Arisierung“, weil ab 1935 ein selbständiges Unternehmen, überhaupt nichts zu tun gehabt. „Es gibt daher keine Kontinuität.“ Spethmann sei auch „niemals“ Vorstandsmitglied der Aschinger- Tochter Hotelbetriebs AG gewesen. Fritz Teppichs Vorschlag suggeriere eine personelle „Verquickung“ des heutigen Konzerns mit den „Ariseuren“, und das sei „sachlich falsch und geschäftsschädigend“. Unrichtig sei ebenfalls die Behauptung der Gegner, daß die Hotelbetriebs AG sich die Kempinski-Reste 1952 unter Bruch des Erbrechts unter den Nagel gerissen habe. Richtig sei vielmehr, daß der damals in New York lebende jüdische Erbe der M. Kempinski & Co GmbH, Frederic Unger-Kempinski, den „Betriebssanierer“ Paul Spethmann selbst als Geschäftsführer der Firma einsetzte und seine Anteile freiwillig 1953 an die Hotelbetriebs AG verkaufte. Fazit: Ein Abkömmling des von den Nazis in Auschwitz ermordeten ehemaligen Firmeninhabers habe mit dem angeblich schwerstbelasteten Spethmann gute Geschäfte gemacht. Ja, mehr noch, behauptet Walterspiel, „sie waren sogar gut miteinander befreundet“.
Eine Behauptung, die Fritz Teppich zur Weißglut treibt. „Es gab damals noch kein Wiedergutmachungsrecht“, sagt er. Frederic Unger sei ein „schwerkranker Mann“ gewesen, der von seiner Familie deshalb später entmündigt wurde. Er sei in Verkaufsverhandlungen mit der Hotelbetriebs AG „getrieben“ worden.
Zum Politikum wurde dieser Streit um Spethmann, „Arisierung“ und Gedenktafeln, durch die Parteilichkeit des israelischen Tourismusministeriums. Denn sie sagten – wie berichtet – kurzfristig einen bei „Kempinski-Bristol“ geplanten Empfang anläßlich der Tourismusbörse ab. Walterspiel berichtete, daß er mit dem israelischen Staatssekretär jetzt ein „klärendes Gespräch“ auf der ITB vereinbart habe. Er hoffe ebenfalls, daß die Bemühungen des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Jerzy Kanal, sich beim Bezirksamt Charlottenburg für ihre Version einer Gedenktafel einzusetzen, von Erfolg gekrönt wird. Fritz Teppich hingegen kündigte an, auch weiter mit Demonstrationen vor dem Hause für „wahrheitsgemäße“ Tafeln zu streiten. Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen