press-schlagbaum: Auf der Suche nach „C-Hools“
Selbstversuch im Proll-Outfit
„Fußball ohne Grenzen“ – das EM-Motto provoziert. An den Grenzen wird munter kontrolliert: Pfingstausflüge enden im Grenzstau, Pendler sind mürrisch. Auf der anderen Seite sind etliche Pressemenschen grenzüberschreitend gependelt, um die Kontrolleure zu kontrollieren. Einer, wird erzählt, fuhr achtmal mit Baseballschläger im Wagen durch, ohne Ergebnis. Gestern der Ernstfall: Anreisetag zum ersten Auftritt der Deutschen in Lüttich. Am Morgen der taz-Selbstversuch: per Klapperauto, mit lauter Musik, unrasiert, Sonnenbrille, Baseballkappe. Als Gewaltutensilien diverse Golfschläger („Big Bertha Warbird“) auffällig in den Wagen drapiert. Und los. Grenzübergang Aachen: durchgewinkt. Grenze Aachen-Lichtenbusch: auch durchgewinkt.
Dritter Versuch: Autobahn, der Hauptausreiseweg. Wieder durchgewinkt. Der taz-Hool ist gescheitert. Die Grenzer erzählen von Erfolgen: Am frühen Morgen hätten sie „einen Gewalttäter“ herausgefischt. Die werden, vom BGS begleitet, ein paar Kilometer retourgefahren. Auch „selbst gebaute Holzlatten mit Nägeln“ habe man schon beschlagnahmt „und Elektroschocker“. Seit einer Woche seien „insgesamt 42 per Haftbefehl gesuchte Straftäter aufgegriffen“ worden und „unmittelbar in die JVAs marschiert“, heißt es. Am Tag zuvor waren „fünf registrierte Gewalttäter mit Neonazi-Material und NPD-Pamphleten“ ins Netz gegangen. „Bei diesen Rechtsradikalen freut mich der Erfolg persönlich“, sagt ein Beamter. Auf dem Parkplatz gegenüber dröhnt es aus den Autoradios harmloser Jung-Fans: „Ich will Spaß, ich will Spaß . . .“
Szenenwechsel: Aachen Hauptbahnhof. Kurz vor 11 Uhr fährt der Thalys nach Paris über Lüttich ein. Fünf Bundesgrenzschützer steigen zu. Der Staffelführer erklärt, Kölner Kollegen hätten gemeldet, zehn verdächtige Personen, vermutlich oberste Hool-Kategorie C, seien dort „auffällig im letzten Moment in den Zug gejumpt“. Die gelte es jetzt aufzuspüren. Wie? „Instinkt“, sagt einer. Die fünf gehen den Zug durch. Überprüfung per Handy und Walkie-Talkie. „Dora Ida Emil Theo Zeppelin; Vorname: . . . Ausweisnummer: . . .“ Negativ. „Der nächste: . . .“ Ein Besoffener brüllt ins BGS-Handy: „Hurra, die Deutschen, die sind da.“ Die BGS-Männer bleiben cool. 25 Minuten Verspätung. Alle durch. Negativ. Vielleicht Fehlalarm.
Wer in Lüttich randaliert, darf auf leere Knäste hoffen. Hunderte belgischer Knackis haben in diesen Tagen Hafturlaub bekommen. „Sie hätten heute Morgen kommen sollen“, sagt ein BGS-Beamter noch unvermittelt, „da haben wir zwei Gewalttäter aus dem Zug geholt. Leute, denen die Ausreise verboten war. Und die hatten Eintrittskarten, vor einer Woche ganz offiziell vom DFB bekommen, mit Namen, alles.“ Wie kann das sein? „Da müssen Sie den DFB fragen“, grummelt er, „das ist schon sehr traurig.“
BERND MÜLLENDER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen