piwik no script img

press-schlagFeudales Funktionärstum

Der Sport hat noch immer ein Problem: Selbstherrliche Prä- sidenten agieren nach Gutdünken

Meldungen diesen Zuschnitts trudeln in diesen Tagen fast schon im Stundentakt ein: Der internationale Ringerverband hat den indischen Ableger suspendiert, weil nach der Anklage des Verbandspräsidenten Brij Bhushan Singh wegen sexuellen Fehlverhaltens noch keine Neuwahlen stattgefunden haben. Der 66 Jahre alte Politiker muss sich wegen sexueller Belästigung und Stalking verantworten, ist aber auf Kaution freigelassen worden; im Zuge des Skandals wurde die Verbandsführung aufgelöst, die ursprünglich für Anfang August angesetzten Neuwahlen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Fehlverhalten von Funktionären, das ist ja nun schon länger klar, erstreckt sich nicht nur auf den Bereich des Fußballs, alle Sportarten müssen mit dieser Funktionärsherrlichkeit leben, bei der bestimmte Ingredienzien zu einem unappetitlichen Brei zusammengerührt werden: Übergriffigkeit mischt sich mit einem selbstgefälligen Herrschaftsanspruch, Distanzlosigkeit mit einem antiquiertem Rollenverständnis.

In diesem Klima des indolenten Grenzübertritts bewegen sich sowohl der indische Ringerpräsident als auch der spanische Fußballpräsident Luis Rubiales. Gewiss auch der sambische Frauenfußball-Nationaltrainer Bruce Mwape, um den es schon wieder viel zu still geworden ist. Im Fokus steht aktuell der Spanier mit seinem Kuss auf den Mund der Weltmeisterin Jennifer Hermoso. Die Anklagen sind laut und omnipräsent. Der spanische Fußballverband, dem der Mann mit dem fehlenden Anstand – und nur darum geht es eigentlich – seit vielen Jahren vorsteht, kann gar nicht anders, als diesen Repräsentanten, der nurmehr Ballast ist, zu suspendieren. Das ist nicht nur eine Reaktion auf den massiven Druck der Öffentlichkeit, sondern eine Selbstverständlichkeit. Doch der 46-Jährige will nicht gehen; nach einer Sondersitzung des Fußballverbandes verkündete er, „kämpfen“ zu wollen.

Wenn sich Sportpräsidenten wie Trampel benehmen, so mag das noch in den 80er oder 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durchgegangen sein, heute schaut man zu Recht genauer hin, wenngleich die überschießende Reaktion der Vorverurteilung mitunter zum Problem wird. Aber in der Causa Rubiales kann davon keine Rede sein. Der Spanier, der früher als Spielergewerkschafter für die Rechte von Sportarbeitern eintrat, sollte wissen, wie man ein Gegenüber behandelt, mitnichten als Objekt und zwangsbeglückend von oben herab. Diese unschönen Hierarchien ziehen sich aber noch immer durch den Leistungssport wie Fett durchs Gewebe. In diesem Umfeld ist Charakterstärke vonnöten, um nicht den Optionen zu erliegen, die sich offensichtlich immer noch bieten und jahrzehntelang frech bemäntelt wurden. Markus Völker

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen