press-schlag: Kommt danneh alles anders
Wer hat die Tabelle nach dem zweiten Spieltag der Saison 89/90 angeführt? Und wer wurde dann Meister? Eben
Gewonnen, aber nicht glanzvoll genug. Verloren, und das auch noch total un-gerecht. So lässt sich die Stimmung in den Fanforen der TSG Hoffenheim und des SV Werder nach dem 3:2 zusammenfassen. Zumindest in Bremen sollte man sich jedoch nicht allzu viele Sorgen machen, ebenso wie man sich in Dortmund nicht zu ausgiebig über die Tabellenführung freuen sollte. Zweite Spieltage sind kein verlässlicher Indikator für Meisterschaften und Abstiege – im Gegenteil.
Nehmen wir den zweiten Spieltag der Saison 1969/70. Mit Ausnahme des Freitagsmatches, bei dem Eintracht Frankfurt Schalke 04 mit 2:1 besiegte, wurden die Partien samt und sonders am Samstag, den 23. August ausgetragen, bei Nieselregen und Temperaturen zwischen 11 und 14 Grad. Während der unglücklichste Spieler des Wochenendes bereits freitags feststand – Klaus Senger von Schalke hatte in der 70. Minute mit einem Eigentor für den Siegtreffer der Eintracht gesorgt –, freute man sich in Hannover am Samstagabend über die Tabellenführung. Im „Stadion an der Hamburger Straße“ hatte man gegen die Braunschweiger Eintracht zwar bloß 1:1 gespielt, aber zuvor Dortmund souverän 4:2 geschlagen. Nichts an der Tabelle dieses zweiten Spieltags deutete darauf hin, wie die Saison enden würde – okay, das stimmt nicht ganz, aber dazu später.
Meister wurde nämlich weder Hannover noch Oberhausen noch der TSV 1860 noch Werder Bremen, also keiner der Vereine, die mit 3:1 Punkten die Tabelle anführten. Den Titel gewann vielmehr der Zwölfte, Borussia Mönchengladbach, das mit einem 0:2 bei Schalke einen Fehlstart in die Saison hingelegt und am folgenden Wochenende zu Hause 2:1 gegen Vorjahresmeister Bayern gewonnen hatte.
Damals gab es ja noch kein Internet, sodass von der miesen Laune, die vor ziemlich genau 50 Jahren bei den Gladbach-Fans geherrscht haben dürfte, nirgendwo zu lesen ist. Aber andererseits gehört nun auch nicht viel Fantasie dazu, sich das allgemeine Lamento über den Stand der Dinge vorzustellen: ja gut, gewonnen, aber trotzdem – der Trainer, die Taktik, der Dingens, der schon wieder nur Blödsinn gemacht hat. Man kennt das.
Womit wir zur Ausnahme kommen, denn mit Alemannia Aachen stieg als 18. exakt der Verein ab, der auch schon nach Spieltag zwei Letzter war. (Der MSV Duisburg hatte dagegen verlässlich wie immer mit dem Titelgewinn nichts zu tun und die Saison als 15. beendet, einen Platz besser als am zweiten Spieltag).
Auch zehn Jahre später deutet nach dem zweiten Spieltag auf die tatsächlichen Gewinner und Verlierer der Spielzeit 79/80 hin: Am 18. August ist der HSV mit vier Punkten und 6:0 Toren Erster vor Dortmund (ebenfalls vier Punkte) und Bayern (3:1 Punkte), auf den Abstiegsplätzen rangieren Gladbach, Bochum und Düsseldorf. Meister werden die Bayern vor dem HSV. Hertha, Bremen und Braunschweig steigen ab. (Übrigens: der MSV war am zweiten Spieltag 15. und am letzten 14.)
Womit wir zur Saison 89/90 kommen: An Spieltag zwei liegen Uerdingen, Frankfurt und Stuttgart vorn, Meister werden die Bayern. Homburg und Mannheim steigen direkt ab, Tabellenletzte waren am 5. August 1989 noch Homburg und Bochum gewesen (der MSV war aufgrund irgendeiner abscheulichen Ungerechtigkeit damals nicht in der Bundesliga).
1999/2000 führen nach zwei Spielen Frankfurt und Hertha die Tabelle an, Gesamtsieger wird dann Bayern München. Der MSV beendet die Saison als Letzter, mehr muss man über diese Spielzeit nicht wissen.
Eine Dekade später freuen sich am 15. August Wolfsburg, Schalke und der HSV über die Tabellenführung, Meister werden die Bayern. Woraus wir lernen: Zumindest in den Saisons, in denen am Jahreszahlenende eine 9 und eine 0 auftauchen, sollte man keinesfalls zu früh in die große Aufregerei einsteigen. Kommt sowieso alles anders. Elke Wittich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen