press-schlag: Löw macht Schluss mit den Ausreden
Der Unterschied zwischen Löw und seinen Vorgängern Völler, Ribbeck und Vogts: Er liefert seinen Spielern keine Alibis.
Vor wenigen Tagen, vor dem 2:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Millennium-Dome zu Cardiff gegen Wales, da sagte der deutsche Bundestrainer Joachim Löw ein paar bemerkenswerte Sätze. Bemerkenswert sind sie nicht wegen des außergewöhnlichen Inhalts, sondern deshalb, weil sie von einem deutschen Nationalcoach stammen. Löw sagte, dass er von einem Sieg in diesem EM-Qualifikationsspiel ausgehe.
In einer anderen Zeit, die bei den meisten längst vergessen ist, die aber in Wahrheit noch gar nicht so lange zurückliegt und in der die Bundestrainer Vogts, Ribbeck oder Völler geheißen hatten, wäre ein Gegner wie Wales vorsorglich verklärt und mindestens in den Kreis der Weltklasse-Teams aufgenommen worden. Rudi Völler redete einst Island so stark, dass die Deutschen tatsächlich glücklich mit einem 0:0 davonkamen. Während seiner Regentschaft wurde sogar das Team der Färöer-Inseln nach harten Kampf 2:1 bezwungen. Berti Vogts hatte einst in seiner maßlosen Angst vor dem Scheitern das Alibi für seinen Nachfolger etabliert: Es gebe keine "kleinen Gegner" mehr. Aus dem Mund eines Trainers, der das Nationalteam eines Verbands trainiert, der drei WM- und EM-Titel im Briefkopf führt, klang es ungefähr so absurd, als warne George W. Bush vor der Großmacht Andorra.
Wie laut wären die Wehklagen gewesen, wenn Völler auf Lahm, Ballack, Frings und Schneider, also jenes Mittelfeld, dass Routine und spielerische Klasse in sich vereint, hätte verzichten müssen? Löw verschanzt sich nicht hinter der Hasenfußrhetorik seiner Vorgänger. Er lamentierte nicht. Er gab Bastian Schweinsteiger die Führungsrolle und wies Thomas Hitzlsperger in die Rolle des defensiven Mittelfeldspielers ein - das Experiment gelang wie jenes in Wembley, als Lahm den Part bestens gab, und die Deutschen behaupten unbeirrt ihren Kurs zur Euro 2008. So rückte das 2:0 der DFB-Equipe die Verhältnisse zurecht. Hier wurde weder glanzvoll noch besonders engagiert gespielt. Zwei Treffer von Miroslav Klose reichten aus, um den Unterschied zwischen einem WM-Dritten und einem Team aus der Randlage des Spitzenfußballs zu verdeutlichen.
Alibis sind bei Löw verpönt. Trotz heikler Personallage. So kommt es, dass sich niemand hinter Vorwänden verstecken kann. Das gilt für etablierte Kicker wie Klose genauso wie für den Ersatz. Und so kommt es, dass der eine oder andere Ersatzspieler an der Aufgabe gewachsen ist. Marcell Jansen verfügt mindestens über jenen Vorwärtsdrang wie Lahm auf der linken Abwehrseite. Hitzlsperger hat sich als Alternative zu Frings empfohlen. Der galt als unverzichtbar. Und seitdem Berti Nigeria trainiert, läuft es übrigens bei den Schotten auffällig gut.
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