press-schlag: Sportwelt lässt Bürgschaften platzen
Magdeburg muss zittern
Das entscheidende Telefonat fand spät am Freitagabend statt und am Handy. Ein Sprecher der Sportwelt meldete sich bei Lutz Trümper, und was er, der Mann des Sportrechte-Vermarkters, dem Präsidenten des Fußballvereins 1. FC Magdeburg zu sagen hatte, kam einer Katastrophe gleich: Sportwelt, so wurde Präsident Trümper kurz und knapp mitgeteilt, sehe sich derzeit außer Stande, eine vor Wochen schon zugesicherte Bürgschaft in Höhe von vier Millionen Mark zu gewährleisten, die dem FCM noch fehlt, um im Falle der sportlichen Qualifikation für die Regionalliga auch die Lizenz vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) für diese zu erhalten.
Die Sache mit dem Aufstieg haben sie dann einen Tag später, am Samstagnachmittag, geregelt, gleich mit 5:2 gewann Magdeburg, zuvor souveräner Meister der Süd-Oberliga des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), das zweite Aufstiegsspiel gegen den BFC Dynamo Berlin, den zuvor nicht minder souveränen Meister der Nord-Oberliga im NOFV. Nun könnte einem an dieser Stelle durchaus die Frage in den Sinn kommen, wie es überhaupt sein kann, dass eine Mannschaft Oberliga-Meister wird und dennoch zusätzlich um den Aufstieg spielen muss, was in keinem anderen DFB-Landesverband der Fall ist. Aber das war an diesem Samstagnachmittag im Magdeburger Ernst-Grube-Stadion nun wirklich nur ein Thema am Rande, ebenso wie die einmal mehr randalierende Dynamo-Anhängerschaft, die nur mit Polizeigewalt, vertreten durch ein paar hundert mit Schlagstöcken und Hunden bewaffnete Beamte, in Zaum zu halten war.
Und selbst die Spielanalysen der beiden Trainer bei der anschließenden Pressekonferenz drüben im Vereinsheim stießen nicht wirklich auf Interesse bei den Versammelten, sondern waren lediglich ein kleines Warmup fürs Wesentliche. Da war es nur gut, dass mittlerweile auch FCM-Präsident Trümper den Weg in den rustikalen Presseraum gefunden hatte, noch während draußen auf dem Rasen die Fans ausgelassen feierten, trotz alledem. Schon vor der Partie hatte Trümper, in Personalunion Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg, via Lautsprecher im Stadion verkünden lassen, „dass wir auf gar keinen Fall schon aufgegeben haben“. Nun wiederholte er seine Durchhalteparole: „Wir sind mit unserem Latein erst am Ende, wenn der Dienstagabend vorbei ist und wir keine Lösung gefunden haben.“ Dienstagabend läuft die Frist beim DFB ab, offiziell und wenn sie nicht verlängert wird, was Trümper gleich heute beantragen möchte.
Dass die Sportwelt, eine Tochter der finanziell in Schieflage geratenen Kinowelt des Filmrechtehändlers Michael Kölmel, es sich bis dahin noch einmal anders überlegen könnte, scheint ausgeschlossen. Dagegen spricht alleine schon, dass der FCM kein Einzelschicksal ist: Nahezu zeitgleich teilte der Vermarkter mit, dass er bei den Regionalligisten Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Essen und FC Sachsen Leipzig ebenso die Bürgschaften platzen lasse. Auch diesen Klubs droht nun der Lizenzentzug – und damit der Zwangsabstieg.
Das bestärkt all jene in ihrer unguten Meinung über Kölmel, die in dem promovierten Wirtschaftswissenschaftler aus dem Badischen schon immer einen Totengräber des Fußballs gesehen haben.Union Berlin war vor knapp drei Jahren der erste Klub, den er sich unter den Nagel gerissen hatte, seither nennt er 14 Vereine mehr oder weniger sein Eigen, immer einverleibt nach gleichen Strickmustern: Die Klubs müssen dicht vor der Pleite stehen und Tradition haben, dann spielt Kölmel mit seinen Millionen den Retter – und erkauft sich damit die Mehrheit der Vermarktungsrechte der Klubs. Bisher hat das, siehe Union Berlin, Borussia Mönchengladbach oder Karlsruher SC, ganz gut funktioniert, weil auch Kölmels Hauptgeschäft, die Kinowelt, prächtig funktioniert hat. Nun aber ist der Mann mit dem Lockenkopf den Unwägbarkeiten des so genannten Neuen Marktes zum Opfer gefallen – und die Millionen für den Fußball sind dadurch wohl knapp geworden, siehe Magdeburg, Düsseldorf, Leipzig und Essen, die sich Kölmel nun auf diese Art und Weise ganz offenbar vom Hals zu schaffen versucht.
„Höchst unsportlich“ findet Lutz Trümper, dass ihm und dem FC dies erst ein Tag vor dem entscheidenden Spiel sowie vier Tage vor Ende der DFB-Frist mitgeteilt wurde. „Die letzte Woche hatte es noch geheißen, dass alles klar geht“, stellte der FCM-Präsident am Samstag ernüchtert fest; woher das Geld nun kommen soll, vermochte er da noch nicht zu sagen. Schließlich hatte Magdeburg, 1974 Europapokalsieger der Pokalsieger und nach der Wende dicht vor dem Ruin, ganz auf Kölmel gesetzt. „Der Klub hat darauf gebaut, mit einem Kredit von Kölmel die nächsten drei Jahre zu überstehen“, sagte Trümper. Nun wäre er schon froh, wenn er den nächsten Dienstag übersteht. FRANK KETTERER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen