press-schlag: Die Uefa schafft das Golden Goal wieder ab
Keine Tränen zum Abschied
Geboren 1996. Gestorben 2002. Nur sechs Jahre ist es alt geworden. Die Liste der Trauernden auf dem Grabstein des Golden Goal ist nicht allzu lang. Die Regelung, durch das erste Tor in der Verlängerung das Spiel zu beenden und die Mannschaft des Schützen zum Sieger zu erklären, hat die Uefa in allen europäischen Wettbewerben wieder abgeschafft.
Geliebt haben das Golden Goal nur wenige. In den Stammtischdiskussionen fand diese Regel unter den Experten kaum Fürsprecher. Eigentlich nur, wenn es zufälligerweise der eigenen Mannschaft den Sieg bescherte. Wie den Deutschen in England, als Oliver Bierhoff in Wembley der erste Schütze eines „goldenen“ Tores wurde und Deutschland durch das 2:1 gegen die Tschechische Republik Europameister. Oder der deutschen Frauenelf: Im Finale gegen Schweden wurde die Partie direkt nach dem einzigen Tor in der 98. Minute abgebrochen. Claudia Müller schoss das Golden Goal. „Du bist jetzt nicht so trottelig und machst den vorbei, der geht rein“, war der Gedanke der Schützin als sie Richtung Tor stürmte.
Schon komisch: Ein Fußballspiel durch den erfolgreichen Torschuss unmittelbar beendet? Definitiv kein Gegenzug mehr? Das war der routinierte Fernsehfußballfan nicht gewohnt. Man hatte keine Zeit mehr, sich auf den Jubel nach dem ersehnten Abpfiff des Schiedsrichters vorzubereiten. Minuten des Zitterns, des Bewusstseins, der Gegner würde sicher noch den Ausgleich erzielen, wurden einem genommen. Aber auch, wenn wir damals etwas zögerten mit unserer ungezügelten Freude: Gewann das eigene Team den Titel, war das Golden Goal nun wirklich ein ganz prima Sache.
Wenn aber einer Nation in diesem Moment des Abschieds das Herz blutet, dann den Franzosen. Gebeutelt durch die politischen Geschehnisse in ihrer Heimat wird nun auch noch ein treuer Freund aus Europa verbannt. Kein Fußballteam hatte das Golden Goal so auf seiner Seite wie das der Grand Nation. Bei der Weltmeisterschaft 1998 hatte man Freundschaft geschlossen. Im Achtelfinale gegen Paraguay machte man durch Laurant Blanc die erste Bekanntschaft in der 113. Minute. Frankreich wurde dann, wie wir ja wissen, Weltmeister. Zwei Jahre später waren nicht nur die Tore wieder golden, sondern auch am Ende die Medaille. Bei der Europameisterschaft 2000 war das Golden Goal nicht nur im Halbfinale an der Seite von Zinedine Zidane wieder zur Stelle – der Ballkünstler schickte die Portugiesen per Elfmeter in der 117. Minute nach Hause. Auch im Finale gegen die Italiener stand es auf Seite der Franzosen. David Trezeguet beendete per Golden Goal in der 103. Minute das Spiel, und der Weltmeister war auch Europas Bester.
Letztes Jahr im Uefa-Pokal-Finale in Dortmund wurde dann ein Eigentor vergoldet: Der FC Liverpool gewann gegen Deportivo Alaves dadurch, dass der Spanier Delfi Geli beim Stand von 4:4 es in der 117. Minute es nicht mehr aushielt und in den eigenen Kasten köpfte.
Trainer hatten schon seit längem bemängelt, dass die Regelung unfair sei. Außerdem übe die Entgültigkeit eines Tores in der Nachspielzeit zu viel Druck auf die Schiedsrichter aus. Schließlich war die Uefa überzeugt. Deren höchstes Gremium gab am Mittwoch die Entscheidung bekannt.
Bei der WM in Japan und Korea wird noch mit Golden Goal gespielt. Wie die Fifa am Ende über das Schicksal der ungeliebten Regel entscheidet, ist noch nicht klar. Die Franzosen freuen sich auf die WM. Favorit auf den Titel sind sie eh und mit dem guten Freund an ihrer Seite kann eigentlich nichts passieren. THOMAS GÖGELE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen