piwik no script img

press-schlagDas Abseits gehört schleunigst abgeschafft

Passiv, aktiv, was auch immer, weg damit!

Zum Ausklang der Hinrunde werden wir mal grundsätzlich und überlegen, was mit dem alten Jahr noch so alles auf den Müll gehört. Zum Beispiel Fußballspiele im Winter. Seit die Bundesliga von Lust und Laune wärmegewohnter Brasilianer abhängig ist, sollte man bei Minusgraden nicht anpfeifen. Sonst kriegt man nämlich von Marcelinho vorgeführt, wie die Samba aussähe, wenn sie von Eskimos erfunden worden wäre. Ganz traurig.

Aber gehen wir systematisch vor. „Abseits, passiv“ sei abzuschaffen, heißt es landauf, landab. Das ist wacker gesprochen! Noch vorher jedoch kommt im Alphabet „Abseits, aktiv“. Und diese bekloppte Regel gehört ebenfalls abgeschafft bzw. geändert. Abseits wurde ja einst erfunden, damit kein fieser Stürmer vorne rumlümmelte, um gegen den einsamen Torwart reihenweise 80-Meter-Pässe zu verwandeln. Und trotz der Schwierigkeit, im Augenblick der Ballabgabe zwei Spieler gleichzeitig zu beobachten, ging lange alles gut. Bis die Belgier kamen. Anfang der 70er schenkten sie der Welt – nach den Pommes und der Autobahnbeleuchtung – die dritte und größte Sinnlosigkeit: die Abseitsfalle. Und seither sorgt die Abseitsregel für die Perversion des Fußballsports: Wann immer ein Angriff auf die Verteidiger zurollt, tun die das Gegenteil dessen, wofür sie da sind – sie rennen alle gleichzeitig weg von dem Tor, das sie doch eigentlich verteidigen sollten. Dafür werden sie meistens belohnt mit einem Freistoßpfiff – und nur selten bestraft durch ein Gegentor.

Und vor allem: Seit die Verteidiger es gezielt darauf anlegen, Stürmer abseits zu stellen, die gar nicht im Sinn hatten, alleine und unfair vor dem gegnerischen Tor herumzulungern, haben die Schiedsrichter keine Chance mehr, das sportlich Richtige zu tun, trotz immer absurderer Rettungsversuche wie des vierten Schiris, des Fernsehbeweises, des magischen Auges etc. etc. Dabei wäre diese Kette aufwändiger Nebenregeln, die lauter Ermessensentscheidungen verlangen, ganz einfach zu ersetzen durch eine einzige: Wenn ein Stürmer es ersichtlich darauf angelegt hat, meterweit hinter dem letzten Verteidiger herumzustehen, um den Torwart alleine vor sich zu haben, pfeift der Schiri den Angriff ab – andernfalls nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Verteidiger wegrennen, statt den Angreifer zu stellen. Das Spiel würde sich ganz schnell ändern. Und statische Kicks wie das WM-Finale 1994 gehörten der Vergangenheit an. So weit zum Grundsätzlichen.

OLIVER T. DOMZALSKI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen