portrait: Der grüne Professor
Es wurde knapp für Alexander Van der Bellen. Am frühen Sonntagabend sah es so aus, als würde der Grüne in die Stichwahl einziehen. Aber ganz sicher war das nicht.
Van der Bellen hat im Wahlkampf den Begriff Heimat neu besetzt. Für das 1944 in Wien geborene Flüchtlingskind ist Heimat auch eine Wahlheimat und kein Ort, der mit Blut und Abstammung zu tun hat. Die Eltern, die 1917 vor der russischen Revolution nach Estland geflohen waren, mussten im Zweiten Weltkrieg vor der Roten Armee neuerlich fliehen und ließen sich schließlich in Tirol nieder.
Van der Bellen besuchte das Gymnasium in Innsbruck und absolvierte dort auch ein Volkswirtschaftsstudium. Seine Dissertation über gemeinwirtschaftliche Unternehmungen wies ihn als Querdenker aus.
Der Grüne Peter Pilz entdeckte den Professor, der damals noch ein SPÖ-Parteibuch besaß, und schlug ihn 1992 als Rechnungshofspräsidenten vor. Daraus wurde zwar nichts. Aber als Nationalratsabgeordneter profilierte sich der bedächtige Wissenschaftler zum Sympathieträger und wurde 1997 zum Parteichef gewählt. In dieser Position führte er die Grünen von Sieg zu Sieg: Von 4,8 Prozent kletterten sie schrittweise auf 11 Prozent. Seine persönlichen Sympathiewerte lagen stets über der der Partei.
2008 gab es erstmals einen Rückschlag. Van der Bellen trat zurück. Im Wiener Gemeinderat und als Beauftragten der Stadt Wien für Universitäten und Forschung führte er ein Schattendasein, setzte aber Impulse für die Öffnung und Vernetzung der Universitäten. Wie beliebt er noch immer ist, zeigen die Umfragen, die ihn lange als Favoriten für die Hofburg führten.
Im Wahlkampf polarisierte er mit dem Versprechen, er würde eine von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geführte Regierung nicht vereidigen. Ralf Leonhard
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