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portraitSenator, noch nicht flüchtig

Unter Druck: Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Foto: dpa

Die Einschläge kommen näher für den Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU): Vor vier Wochen bereits legte Regierungschef Michael Müller (SPD) ihm und anderen wenig verhohlen den Rücktritt nahe, falls sie sich mit der Flüchtlingsthematik überfordert fühlten, nun setzte Müller den Abgang von Czajas wichtigstem Behördenleiter durch. Nur ein Bauernopfer sehen darin die oppositionellen Grünen, die Müller am Donnerstag im Landesparlament aufforderten, den Sozialsenator selbst zu entlassen. Das aber ginge einher mit dem Ende der rot-schwarzen Koalition in dem Bundesland, in der es ohnehin schon stark kriselt: Die Berliner CDU-Spitze hat sich erst jüngst ausdrücklich hinter Mario Czaja gestellt.

Der Sozialsenator bekomme die Registrierung der Flüchtlinge nicht hin, lautet seit Monaten die immer gleiche Kritik, genauer gesagt: das ihm unterstellte Landesamt für Gesundheit und Soziales, als „Lageso“ wegen teils chaotischer Zustände inzwischen bundesweit zu trauriger Berühmtheit gelangt. Jede Nacht warten dort Hunderte schon Stunden vor Behördenöffnung, was bei sinkenden Temperaturen zu einem noch größeren Problem zu werden droht. Czaja wolle zwar, könne aber nicht, ist beim sozialdemokratischen Koalitionspartner zu hören.

Ein neues Amt nur für Flüchtlingsfragen soll weiterhelfen, der Gesetzentwurf kam erst an diesem Donnerstag ins Parlament. Für manchen Kritiker ist das allerdings bloß alter Wein in neuen Schläuchen, andere halten einen Behördenumbau im laufenden Geschäft sogar für schädlich: Mehrere Hundert Flüchtlinge kommen weiterhin täglich nach Berlin, über 65.000 sind es bisher in diesem Jahr.

Dass der 40-Jährige und damit Jüngste in der Berliner Landesregierung durch die Flüchtlingsfrage so stark in die Kritik geraten würde, war nicht zu erwarten. Czaja galt lange Zeit als kompetenter Politiker und liberales Aushängeschild der Berliner CDU, auch Grüne duzen sich mit ihm. Bevor er 2011 Senator wurde, war er bereits zwölf Jahre lang Abgeordneter und der einzige CDUler, der einen Wahlkreis im Osten der Stadt gewann. Anders als viele Christdemokraten lehnte er Gespräche mit PDS und Linkspartei nicht ab. Als gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion wurde er zum Experten auf diesem Gebiet, das ebenfalls zu seinem Senatsressort gehört.

Vom Erfolg der neuen Behörde, dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, dürfte es abhängen, ob Czaja Berliner Senator bleibt und die Koalition noch bis zum nächsten September durchhält: Dann steht ohnehin die Neuwahl des Landesparlaments an – und auf eine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition deutet wenig bis gar nichts hin. Stefan Alberti

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