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portraitDie Amerikanerin

Weg mit den Schablonen

Integration, Multikulturalismus, Ausländerpolitik – alles kalter Kaffee. So jedenfalls lautet die Botschaft von Bharati Mukherjee, amerikanischer Autorin indischer Herkunft, die 1988 als frisch „neutralisierte“ US-Staatsbürgerin den renommierten Kritikerpreis des Landes verliehen bekam – ein Novum, selbst im Schmelztiegel USA. Mukherjee war unlängst auf einer Deutschlandreise. Von Kiel bis Stuttgart, von Köln bis Berlin konnten ihre provokanten Thesen jenseits von Multikulti gehört werden.

Die USA, so Mukherjee, haben sich in den letzten Jahren verändert, so sehr, dass jemand wie sie, eine nichteuropäische Einwanderin, ohne Probleme sagen kann: Ich bin eine amerikanische Schriftstellerin. Ohne Bindestrich, der „indisch“ oder „südasiatisch“ anfügt. Denn schon der Strich diskriminiert, wird er doch nur noch den Nichteuropäern aufgenötigt.

Ihre Zuversicht, dass sich in den USA in Sachen Rassendiskriminierung einiges zum Besseren wende, gründet Mukherjee auf die Verfassung, die zwar von weißen männlichen Sklavenhaltern erdacht wurde, die sich aber dennoch als brauchbar erweist. Sie impliziere, dass Minderheiten gegenüber Mehrheiten zu schützen sind. Kurz gesagt: Wenn mein Staat mich nicht beschützt, kann ich ihn verklagen. Das, so meint sie, können die Angehörigen des unlängst in Dessau zu Tode getrampelten Mosambikaners in Deutschland offensichtlich nicht.

Mukherjee plädiert dafür, Einwanderern sofort Verantwortung zu übergeben, sie in Kommunen und Parteien an der Macht zu beteiligen. Und sie nicht als Einwanderer zu behandeln. „Amerika hat mich verändert, doch Leute wie ich haben Amerika verändert.“ Langsam beginne man in den USA zu begreifen, dass Immigranten keine Menschen sind, die eine Kultur verlieren. Immigration ist Nettogewinn!

Gerade arbeitet sie an einem Buch über die Einwanderer unter den Silicon-Valley-Aufsteigern, deren Geld und Macht weltweit zirkulieren. Ihre Vision: Weg mit ethnischen Schablonen. Ihr eignes Leben ist exemplarisch für unser Zeitalter der Diaspora. Geboren 1940 in Kalkutta als Angehörige der höchsten Kaste, der Brahmanen, schien ihr ein traditionelles Leben im Schoß der indischen Oberschicht vorherbestimmt. Ihre Kindheit verbrachte sie in England. Später unterrichteten sie irische Nonnen nach einem britischen Lehrplan in einer Mädchenschule in Kalkutta. Studium in Kalkutta und später im Herzland der USA, in Iowa.

„Iowa hat mich von den Zwängen einer bengalischen Frau befreit.“ Dem Vater, der zu Hause eine standesgemäße Ehe arrangiert hatte, sagte sie am Telefon: „Sorry dad, I made my own plans.“ Im Schnellverfahren heiratete sie einen amerikanischen Kommilitonen. SABINE BERKING

Von Bharati Mukherjee sind bei Knaus erschienen: „Jasmine“; „Die Träne des Großmoguls“. In englischer Sprache: „The Middleman and other Stories“; „The Tiger’s Daughter“; „Wife“; „Darkness, Days and Nights in Calcutta“; „The Sorrow and the Terror“, „The Holder of the World“; „Leave it to me“.

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