plakataktion: Kinder sind kein Mittel der Politik
Wo es um Kinder geht, setzt der Verstand aus. Deshalb sind Kinderwagen so teuer, deshalb bekommt die Kleine von Opa auch noch das dritte Eis hintereinander, deshalb kann uns keine vernünftige Erklärung trösten, wenn ihnen etwas Schreckliches zugestoßen ist. Und deshalb wird mit ihnen so gern Politik gemacht: Harmlose Demokraten tätscheln bloß Kinderwangen, um wiedergewählt zu werden. Skrupellose Machthaber beschwören das Volk, um der Kinder willen die Feinde zu töten (die ja auch mal Kinder gewesen sein sollen).
Kommentar von PHILIPP GESSLER
Das ist der Hauptgrund, warum die BVG recht tut mit dem Entschluss, eine Plakataktion abzulehnen, die die Jüdische Gemeinde in U-Bahnhöfen sehen wollte: pro Plakat mehr als hundert Fotos israelischer Kinder, die durch Selbstmordattentate umgebracht wurden. Dazu die Frage: „Was, wenn es Ihr Kind wäre?“
Natürlich kann man einwenden, dass der Nahostkonflikt und die Opfer immer mehr verdrängt werden in der hiesigen Wahrnehmung und man deshalb schockierende Methoden braucht, um die Menschen hierzulande wieder an diesen ungelösten Konflikt zu erinnern. Sicherlich sind zudem viele Mitglieder der Gemeinde durch familiäre oder freundschaftliche Beziehungen zu Israel besonders betroffen, wenn dort wieder eine Bombe in die Luft geht und sinnlos Menschen tötet.
Das Plakat aber hätte hier in Berlin vor allem Unfrieden gestiftet. Es hätte nur an Gefühle appelliert, wo ein ruhiger Kopf oder doch zumindest gemeinsame Trauer um die Toten die einzige Hoffnung für einen Frieden ist. Ein Plakat, das die toten palästinensischen und israelischen Kinder ohne gegenseitiges Aufrechnen zeigte, hätte vielleicht eine Brücke sein können. Am klügsten aber wäre es, auf Kinder als Mittel solcher Politik ganz zu verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen