petra köpping: Die Frau, die auch dahin ging, wo’s schmerzt
Für Montagvormittag hat Petra Köpping seit Längerem einen festen Termin. „Dann gehe ich zum Friseur“, sagt sie und tippt auf ihren Scheitel, wo unter dem Rotblond das Grau sichtbar wird. Seit Wochen ist die Ministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen für die SPD im Wahlkampf: landauf, landab, vom Vogtland bis nach Zittau, vom Leipziger Land bis ins Erzgebirge. Für den Friseur bleibt da keine Zeit.
Die sächsische SPD verlegte sich im Wahlkampfendspurt auf Mund-zu-Mund-Beatmung – jede Wählerin und jeder Wähler wurde einzeln überzeugt. Ausgezahlt hat sich das nicht: Rund 8 Prozent holte die SPD am Wahlsonntag – deutlich weniger als die 12,4 Prozent von 2014.
An Köpping lag es nicht. Die ehemalige Bürgermeisterin von Großpösna bei Leipzig kann zuhören, auch dort, wo es schmerzt. Als ein Verlag sie 2018 zum Gespräch mit dem Islamkritiker Hamed Abdel-Samad einlädt, kommt die Integrationsministerin. Und diskutiert drei Stunden in einem Saal voller Pegida- und AfD-Anhänger. „Da dachte ich: Jetzt brauche ich einen Schnaps. Aber da müssen wir hin: Nicht nur mit denen reden, die uns sowieso gut finden, sondern mit denen, die kritische Fragen haben.“
Auf der Landtagsliste der SPD kandidierte Köpping als Nummer zwei. Die sächsische SPD setzte auf einen einzigen Spitzenkandidaten, auf Martin Dulig. Köpping hätte sich auch eine Doppelspitze vorstellen können – die Genossen entschieden anders. Sie akzeptiere Mehrheitsentscheidungen, sagt Köpping. Persönliche Attacken sind nicht ihr Ding.
Köpping zählt lieber auf, was die SPD anders machen müsse. Politik mehr von den Menschen her denken, auch über das Thema Migration reden, vor Ort präsenter sein. Keine leichte Aufgabe für eine Partei, die in Sachsen nur noch gut 5.000 Mitglieder hat, auf dem Land praktisch nicht mehr existiert.
Und, so Köpping: Die SPD müsse ostdeutscher werden. „Wir sind eine westdeutsche Partei.“ Dass die Menschen im Osten weniger verdienten, weniger Urlaubstage hätten und schmalere Renten – das seien für ihre Partei untergeordnete Themen. Das müsse sich ändern.
Nach der Sachsen-Wahl will Köpping nun die Bundes-SPD retten. Sie kandidiert mit dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius für den SPD-Vorsitz. Ab Montagnachmittag ist sie deshalb wieder im Wahlkampf.
Anna Lehmann
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