: off-kino Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet
Berg ist Berg und Eis bleibt Eis, muss sich Bergfilmpionier Dr. Arnold Fanck gedacht haben, als er 1933 die Welt der Alpengipfel mit Grönländischen Gletschern vertauschte und dortselbst den Film „SOS Eisberg“ drehte. Tatsächlich änderte sich dann auch nicht allzu viel – weder beim Personal (mit den Kameraleuten Hans Schneeberger und Richard Angst und Darstellern wie Sepp Rist und Leni Riefenstahl), noch an der stets etwas holprigen Dramaturgie der Fanck-Filme, über die man angesichts atemberaubender Naturaufnahmen jedoch gern hinwegsieht. Und während sich also die Story um Rettungsmaßnahmen für eine verschollene Expedition eher vorhersehbar entwickelt, mag sich das Auge des Betrachters an den spektakulären Eiswelten Grönlands erfreuen, die – und das war Fancks Kunst – wie ein weiterer lebendiger Protagonist charakterisiert ist: von den kalbenden Gletschern über schmelzende Treibeisfelder bis zu untergehenden Eisbergen. In dieser schönen, aber tückischen Landschaft müssen die Helden Schneeballschlachten mit Eisbären überstehen und die Attacken eines dem Wahnsinn verfallenen Expeditionsteilnehmers (Gibson Gowland, der in Erich von Stroheims „Greed“ in der Wüste des Death Valley elendiglich zu Grunde ging) abwehren. Natürlich geht die Geschichte für die wichtigsten Personen gut aus, sodass selbst die Eskimos vor lauter Freude im Kajak die Eskimorolle machen. Und wie es sich für einen ordentlichen Bergfilm gehört, wird auch gejodelt: nach erfolgreichem Fischfang auf der Eisscholle.
„SOS Eisberg“, 11. 4. in der Urania
***Kino im Kino: 1924 schickte Buster Keaton einen von ihm selbst verkörperten Filmvorführer im Traum in ein von der Veronal-Film produziertes, offenbar besonders aufregendes Gesellschaftsdrama, wo er als „Sherlock jr.“ Perlen und Unversehrtheit einer jungen Dame rettet, derweil er souverän den Nachstellungen der Schurken mit Gift und explosiven Billardkugeln entgeht. Der Film enthält einige von Keatons schönsten Stunts (die Fahrt auf dem Lenker eines Motorrades ohne Fahrer), und beweist einmal mehr seine faszinierende Fähigkeit, jedes Missgeschick in Sekundenschnelle zum eigenen Vorteil zu wenden (mit dem Auto im See gelandet, spannt er das Verdeck als Segel auf). Am interessantesten ist jedoch die witzige Konfrontation des Helden mit der ihm unverständlichen Filmmontage: Eben noch im vornehmen Salon, findet sich Buster im nächsten Moment vor der Tür wieder; wie von Zauberhand landet er auf einem vom Meer umbrausten Felsen – doch sein Kopfsprung endet in einer Schneewehe. Das Filmmuseum Potsdam zeigt „Sherlock jr.“ im Rahmen eines Programms zum 60. Geburtstag des Defa-Regisseurs Ulrich Weiß.
„Sherlock jr.“, 16. 4. im Filmmuseum Potsdam
***„Heute ist Halloween. Da darf jeder jeden mal so richtig erschrecken!“ Der erste Teil dieser Aussage des Kleinstadt-Sheriffs in „Halloween“ trifft zwar zur Zeit nicht zu, der zweite Satz behält in John Carpenters Horrorthriller jedoch Gültigkeit zu jeder Jahreszeit. Der Regisseur inszeniert ein Kino des Schocks und der Überrumpelung: Aus einer Atmosphäre latenter Bedrohung bricht ein unausweichlicher Schrecken mit archaischer Gewalt hervor. Carpenters wichtigstes Stilmittel ist die subjektive Kamera, die dem Zuschauer bereits in der Anfangsszene den Blick eines psychopathischen Mörders aufzwingt: So werden alle weiteren subjektiven Einstellungen stets die Angst auslösen, erneut mit den Augen des Killers auf potenzielle Opfer zu blicken. Die Geschichte vom mysteriösen Michael Myers, der gern sexuell aktive Teenager meuchelt, führte in den 70er-Jahren zu einem Horrorfilm-Boom und zu diversen Sequels – doch das Original blieb in seiner intelligenten (und manchmal auch makaber-spaßhaften) Erkundung der Furchtmechanismen unerreicht.
„Halloween“, 16. 4. im Thalia Movie Magic 2
LARS PENNING
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