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obdachloseGeschmackloses Angebot

Seit Urzeiten wird unter Ehe eine nach Sitte oder Gesetz rechtsgültige Dauerverbindung verstanden. Einst war sie Privileg: Allein der Trauschein berechtigte zur Paarung. Im Verlaufe der Jahrtausende unterlag sie einigen Wandlungen, von der Raubehe über die Vielehe bis hin zur Kaufehe und Babs und Boris. Bis heute erfreut sich diese Institution ungebrochener Beliebtheit: Die Leute können gar nicht oft genug heiraten. Mittlerweile holen sich sogar die Lesben und Schwulen vom Staat einen Schein für ihre Liebe.

Kommentarvon KARSTEN KRAMPITZ

Ein neues Kapitel in dieser Kulturgeschichte hat nun der Radiosender „Energy 103,4“ aufgeschlagen. „Ich heirate einen Penner“ als Steigerung zu den unvermeidlichen TV-Hochzeiten.

Zu gewinnen gibt’s Janusz. Der hat keine Millionen, kein Haus, keine Zähne, sondern bietet nur „meine Seele“ an, so die Bild-Zeitung. Die Frau, die sich seiner erbarmt, darf dann auf Kosten des Senders in Las Vegas die Sonne putzen, mit ihm.

Was die Anbieter des geschmacklosen Angebots verschweigen: Vor einem halben Jahr war Janusz bereits verlobt und ist es vielleicht ja immer noch. Bleibt zu hoffen, dass die Dame sich im Kreis der Kandidatinnen befunden hat, die PR-Kampagne nur ein Fake ist und beide bis ans Ende ihrer Tage glücklich werden.

Nur wird dem leider nicht so sein. Als kurze Berühmtheit wird Janusz jedenfalls bald seine Freude haben, etwa beim „Sitzunghalten“ oder beim Betteln in der S-Bahn:

„Wie geht’s denn Ihrer Frau?“ wird es heißen, sein Gesicht dürfte ja aus der Presse hinlänglich bekannt sein. „Was denn, schon wieder geschieden?“

Und was erwartet die Hörer als nächstes? Wie wäre es mit der Quoten bringenden Gewinnshow „Wer heiratet den Kurden? – Mit der Abschiebung droht ihm Folter und Mord. Retten Sie ihn und gewinnen Sie einen Traumurlaub!“ Vielleicht noch in die Türkei, was.

Der Autor war lange Zeit Redakteur bei der Obdachlosenzeitung „Straßenzeitung“

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