normalzeit: HELMUT HÖGE über die letzte Riesensauerei
„Platzecks Neue!“
Während die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di), genauer die IG Medien in München, nicht einmal mehr davor zurückschreckt, mit Managementmethoden Mitglieder zu keilen, um vor dem Abschiffen des Medienkonzerns von Kirch dessen Jungjournalisten noch schnell als Mitglieder zu werben, schreckten wir auf dem letzten Berliner Altjournalisten-Stammtisch nicht mehr vor der Idee zurück, alle antiaufklärerischen Schweinejournalisten – und dabei wurde vor allem an die Springerschen gedacht – aus der IG Medien zu entlassen: wegen fortgesetztem gewerkschaftsfeindlichem Verhalten. Diese Organisation wurde einmal gegründet, um die Lage der arbeitenden Klasse zu verbessern – durch solidarisches Handeln im Verein mit Bildung und Schulung, die sie zum Verstehen gesellschaftlicher Prozesse befähigen sollte.
Obige Journaille arbeitet jedoch Tag für Tag daran, diese Klasse zu demoralisieren. Das muss man sich mal vorstellen: Die inzwischen auch der besitzlosen Klasse zugänglichen staatlichen Schulen werden seit Jahren dafür gescholten, dass sie ihrem Bildungsauftrag immer weniger gerecht werden (Pisa-Studie), auch die Hochschulen sollen sich effektivieren (Spiegel-Ranking) und überhaupt soll endlich „ein Ruck durch das ganze Land“ gehen, wozu der letzte Bundespräsident Herzog gerade wieder aufruft (mit Großplakaten). Gleichzeitig sind jedoch tausende von Journalisten und Verlagen damit beschäftigt, diese selben Menschen ununterbrochen zu verblöden und zu verhetzen.
Das letzte uns empörende Beispiel stammte aus dem Gruner+Jahr-Hauptstadt-Blatt Kurier: ein Aufmacher über die Eröffnung des völlig reaktionären Instituts für Sicherheits- und Militärpolitik“ – ausgerechnet im ehemaligen Preußen-Center Potsdam, dessen Militarismus noch Winston Churchill für die Ursache allen Übels hielt. Jetzt gaben sich dort auf dem Eröffnungsball wieder übelste Revanchisten ein Stelldichein. Und der Kurier titelte: „Platzecks neue Liebe“. Das Foto zeigte den lachenden Potsdamer SPD-Ost-OB neben einer jungen Rothaarigen. Aus dem Text – „O, là, là, Herr Bürgermeister“ – ging dann hervor, dass es seine eigene Tochter war, die er an dem Abend quasi in die New World Order der Alten Säcke eingeführt hatte. Der stolze Vater verriet anschließend der Welt: Die Eröffnung dieses Potsdamer Partisanenvernichtungs-Think-Tanks (und auch wohl das Interesse der Presse an seiner Tochter) beweise, „welchen Ruf diese Stadt inzwischen genießt“, die Chance für die Ansiedlung weiterer „Sicherheits-Akademien“ sei „jetzt gewachsen“. Dem Kurier war das Institut dagegen bloß einen Kasinoluder-Witz wert, neben der Erwähnung einer „hübschen Psychologie-Studentin mit dunklen Haaren“ auf Seite 15, die zwar keine Vorurteile gegen die versammelten Rechten hatte, jedoch an deren Sicherheitscheck gescheitert war.
Seit dieser Meisterleistung an schweinöser Desinformation steht „Platzecks Neue“ bei uns für eine Gewerkschaftsreform von unten: Raus aus der IG Medien mit allen Volksverdummern! Wenn jemand nur zu bedenken gibt, dass doch auch der letzte Hilfsarbeiter heute die Freiheit habe, sich so viel zu bilden und zu schulen, wie er will – oder es eben bleiben lasse, stattdessen nur die Sportseiten lese und dann eben auf den schwulen Bürgermeister und seine jüdischen Kommunistenkumpel schimpfe –, dann entgegnen wir ihm ab jetzt nur noch kurz und knapp: „Platzecks Neue!“
Und auch wenn der Gewerkschaftsaktivist Didi uns lang und breit erklärt: Gerade um die Leute bei Springer, Kirch und Konsorten muss man sich kümmern – die sind doch da sonst am Arsch. Was ist denn das für ein unsolidarisches Verhalten? Und wie sieht es mit den Arbeitern in der Waffenproduktion aus, die demnächst wieder auf Touren kommt, sollen wir die auch alle verstoßen? Wer bleibt denn da überhaupt noch übrig?! Auch ihm antworten wir bloß noch: „Platzecks Neue!“
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