neue vw-vereinbarung: Sparmodell mit Zukunft
Es gibt Kompromisse, bei denen alle Beteiligten als Sieger dastehen. Einfach deswegen, weil es sowieso keine Alternative gab zu der Lösung, die am Ende gefunden wurde. Bei der neuen Einigung zwischen der IG Metall und dem VW-Konzern handelt es sich um genau einen solchen Kompromiss. Ein erneutes Scheitern der Verhandlungen über ein flexibleres Arbeitsmodell zum Bau eines neuen Minivans wäre fatal gewesen – vor allem für die IG Metall. Denn beim zwischenzeitlichen Abbruch der Verhandlungen vor einigen Wochen hatte IG-Metall-Chef Zwickel so unvorteilhaft ausgesehen wie selten zuvor: als der beinharte Strukturkonservative, der sich einen Dreck schert um die Nöte von Jobsuchenden.
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
Jetzt also wurde der Kompromiss geschlossen – und erwartungsgemäß bedeutet er nichts anderes, als dass die Produktion des neuen Minivans schlichtweg billiger wird als andere Fertigungen im VW-Konzern. Die Arbeitszeiten können, ohne dass Überstundenzuschläge fällig sind, hochgefahren werden. Das Entgelt liegt deutlich niedriger als die Löhne der traditionellen VW-Arbeitnehmer, für die der gut ausgestattete VW-Haustarifvertrag zuständig ist. Doch diese vergleichsweise privilegierten traditionellen VW-Werker können nicht mehr der Maßstab sein, wenn es um die Schaffung neuer Jobs geht. Das genau ist die Botschaft des neuen VW-Kompromisses: Manchmal muss man sich eben nach unten orientieren. Unten stehen nämlich die Arbeitslosen.
Bis zu 5.000 Jobsuchende sollen in den neu gegründeten Flexi-Firmen von VW einen Job finden, unter besonderen Bedingungen: Sie werden erst einige Monate vom Arbeitsamt vorgeschult und arbeiten dann in einer Art verlängerten Probezeit ein halbes Jahr zu einem niedrigeren Gehalt. Verglichen mit den VW-Werkern handelt es sich also tatsächlich um Beschäftigte „zweiter Klasse“ – aber damit wird nur ehrlich zugegeben, dass in der Erwerbswelt längst ein Klassensystem herrscht: Oben stehen die kündigungsgeschützten Facharbeiter in den Großkonzernen, dann kommen die Beschäftigten aus kleineren Unternehmen oder mit schlechteren Bedingungen, ganz unten findet man die Arbeitslosen.
Einem Teil dieser Jobsuchenden wird jetzt wieder der Weg nach oben bereitet. Das kann nur gut sein. Denn in dieser Rangordnung der Schwachen sind es die Schwächsten, auf die besondere Rücksicht genommen werden muss. Das ist die neue Regel. Sie gilt auch für Klaus Zwickel.
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