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nazis im netzDer Führer ist nicht normal!

Rechtsextreme Bewegungen sind auf die Ausstrahlungskraft ihrer Symbole angewiesen. Die Akzeptanz dieser Symbolik in der Öffentlichkeit trägt unmittelbar zu dem bei, was der Soziologe Wilhelm Heitmeyer als „Normalisierungsgewinne“ bezeichnet hat: eine nicht mehr hinterfragbare Präsenz antidemokratischer Vorstellungen und der sie verkörpernden Bilder im öffentlichen Raum. Wenn Rechtsradikale eine solche Normalität für sich beanspruchen können, ist es für Gegenstrategien meistens zu spät – Normales ist selbstverständlich und aus diesem Grund der Kritik nur noch schwerlich zugänglich. Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen solcher Normalisierungsgewinne können oft genug in Ostberlin oder Brandenburg nachvollzogen werden.

Kommentar von ANDREAS SPANNBAUER

Die Tabuisierung von SS-Runen und Hakenkreuzen signalisiert im Gegenzug, dass der Rechtsextremismus eben nicht als politische Richtung unter anderen angesehen werden darf. Der Gesetzgeber hat daher die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole unter Strafe gestellt.

Das Amtsgericht Tiergarten hat diese Rechtsprechung gestern um ein wichtiges Kapitel erweitert: Auch im Internet bleibt das Zeigen von Hitler-Standarten und Heß-Bildern strafbar. Das gilt auch, wenn sich der Betreiber formal von neonazistischen Bestrebungen distanziert und sich auf kommerzielle Ziele beruft.

Angesichts einer steigenden Zahl von Propagandadelikten im Internet – allein im letzten Jahr gab es bundesweit 45 Ermittlungsverfahren wegen rechtsradikaler Netz-Propaganda – ist der Richterspruch das richtige Signal. Denn auch der harte Kern der neonazistischen Szene distanziert sich bisher auf seinen „Heimatseiten“ von verfassungsfeindlichen Zielen – und geht dieser in Abbildungen und Links umso vehementer nach. Mit seinem Urteil hat das Gericht klargestellt, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum für Nazi-Ästhetik ist: Fadenscheinige Begründungen reichen als Alibi für die Abbildung von Nazi-Devotionalien nicht aus.

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