piwik no script img

nachtrag Gestatten, Kronawitter

Als am 13. September 2002 in der taz die taz.mag-Geschichte „Fortgesetzte Notaufnahme“ von Barbara Bollwahn de Paez Casanova über einen Simulanten aus Hilflosigkeit angekündigt wurde, fiel Leser Klaus Sch. fast vom Stuhl. „Ich dachte: Wer schreibt da einen Artikel über mich? Ich war wie betäubt, hatte Angst vor dem Samstag.“ Der Grund: „Über zehn Jahre zog ich mit der gleichen Masche durch Deutschland.“

Wie der im taz.mag vom 14. September porträtierte Epileptiker Marcus P., der auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf anderthalb Jahre lang durch Krankenhäuser tingelte, simulierte auch Sch., ebenfalls Epileptiker, Krankheiten, die er nicht hatte. Etwa einen hartnäckigen Durchfall infolge eines ebenfalls erfundenen Ghana-Urlaubs. Zudem legte er sich einmal den Namen Kronawitter zu und wurde als vermeintlicher Verwandter des ehemaligen Münchner Oberbürgermeisters äußerst zuvorkommend behandelt. Als er von der Polizei gesucht wurde, fand er als „Pastoralreferent, der im Knast arbeitet“, Zuflucht in einem Kloster. Trotz einiger Parallelen unterscheidet die Simulanten zweierlei: „Was Marcus mit keinem Wort erwähnt, ist die Tatsache des Gefühls der Geborgenheit. Ich wurde umsorgt, gestreichelt und war nicht allein“, schreibt Klaus Sch. Und: Sch. sitzt in der Justizvollzugsanstalt Mannheim.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen