nachruf: Die unglückliche Möchtegern-Monroe
Alles war mindestens eine Nummer zu groß an diesem Leben. Das klingt wie ein müder Witz über die Maße der Anna Nicole Smith, die nicht in gängige Schlankheitsideen passten. Das ist aber Ernst. Geradezu monströs ihr Wille, Klischees überzubedienen, des Erfolg wegen. Ebenso überdimensioniert das Ausmaß an Tragik, das dann, als sollte sie bestraft werden, auf sie niederging.
Das am 28. November 1967 in Houston, Texas, geborene Model hat sich die Haare blondiert, den Busen ins rechte Licht gerückt und den Frauentraum verwirklicht, einen reichen alten Mann zu heiraten. Alles ging böse für sie aus. Phasenweise wirkte sie wie eine Comicfigur, wie man sich eine Fleisch gewordene Männerfantasie vorstellt. Ihre Ehe mit dem damals 89 Jahre alten Ölmilliardär J. Howard Marshall – Smith war 26 – brachte ihr schlimme Presse und langwierige Gerichtsverfahren ein. Marshall starb 14 Monate nach der Hochzeit. Seitdem kämpfte Smith mit seinem Sohn um 800 Millionen Dollar.
Dann ging dieses Leben wirklich schief. Drei Tage nachdem sie ihr zweites Kind geboren hatte, starb ihr 20-jähriger Sohn aus erster Ehe unter ungeklärten Umständen. Nach der Beerdigung kam es zum Streit um die Vaterschaft ihrer kleinen Tochter. Sie soll nun per DNA-Test vor Gericht geklärt werden. Anna Nicole Smith wird das nicht mehr erleben: Am Donnerstag wurde sie 39-jährig tot in einem Hotelzimmer aufgefunden. Todesursache: vorerst unklar.
„Sie wollte ihr ganzes Leben lang wie Marilyn sein“, sagt nun einer ihrer vielen Exanwälte. Die Art und Weise, wie die Smith Marilyn Monroes Rolle als Sexbombe interpretierte, war wohl ihre größte Fehlspekulation. Sie setzte ganz auf die vordergründigen Inszenierungen, mit denen die Monroe zeitlebens umstellt wurde, um ihren Sexappeal zugleich ausstellen und entschärfen zu können. Aber diese dünnen Witze, diese zugleich lasziven und erschrockenen Posen sind längst nicht mehr zeitgemäß. Eine Schauspielerin wie Scarlett Johansson macht vor, dass sich weibliche Attraktivität nicht mehr mit Dummchensignalen tarnen muss; sie besetzt heute mit Recht die Marilyn-Rolle. Für Anna Nicole Smith aber blieb nur die leere Busenstarhülle, die sie dann übererfüllte.
Ob sie um ihre Künstlichkeit wusste? Leider fand sie keinen Filmregisseur, der sie gerade auch in ihrer eigenen Inszenierung ausstellte, so wie Quentin Tarantino das etwa mit John Travolta gemacht hat. So musste sie ihre Rolle immer authentisch verkörpern – bis zum Schluss, im Hotelzimmer in Hollywood. Letzte Ironie: Es war nicht das echte Hollywood. Es war die City of Hollywood in Florida. DIRK KNIPPHALS
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