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merkel und die cduFürsorgliche Belagerung

Kurz bevor Angela Merkel zur CDU-Vorsitzenden gewählt wurde, auf einer Regionalkonferenz in Stuttgart, rief ein Delegierter: „Wir Baden-Württemberger sind zwar dickköpfig und schwer zu überzeugen, dafür sind wir treu. Das werden Sie merken.“ Der Applaus toste.

Kommentarvon MARKUS SCHUBERT

Und nun beschließt ausgerechnet das CDU-Präsidium von Baden-Württemberg, eine Kanzlerkandidatur von Wolfgang Schäuble zu unterstützen. Das hat eine andere Qualität als die Kritteleien aus Bayern. Da konnte Merkel noch damit argumentieren, dass in der K-Debatte die politische Statik der beiden Schwesterparteien nicht aus dem Gleichgewicht geraten dürfe. Jetzt kommen die Angriffe aus dem Bauch der Partei. Für Merkel ärgerlich: Auch da geht es um Statik. Die Südwest-CDU hat schließlich eine Wahl gewonnen und ist eine der letzten Machtbastionen, die die CDU noch hat.

Der Beschluss der Baden-Württemberger ist aber näher betrachtet gar kein Treuebruch. Man kann die Angriffe aus Stuttgart auch als fürsorgliche Belagerung betrachten. In der bisherigen Konstellation – ohne Schäuble – hätte Merkel ihre Kandidatur ja ohnehin nicht durchsetzen können. Und groß wäre die Gefahr gewesen, dass sie im Kampf gegen Edmund Stoiber am Ende nicht nur auf die Kandidatur hätte verzichten müssen, sondern so beschädigt wird, dass sie auch den CDU-Vorsitz niederlegen muss. Nun bleiben ihr ein paar Tage, um zu sondieren, ob eine Mehrheit ihrer Partei hinter Schäuble stehen würde. Wenn ja, dann hieße es auch für Stoiber: Game over.

Merkel, wenn sie denn Schäuble als weißen Ritter akzeptiert, könnte ihre Stellung als Parteivorsitzende sogar festigen. Denn es ergäbe sich wieder eine Arbeitsteilung, wie sie in einer anderen Konstellation schon einmal funktioniert hat – nämlich mit dem Parteivorsitzenden Schäuble und der Generalsekretärin Merkel. Nur müsste die CDU-Vorsitzende Merkel dann auch da weitermachen, wo die Generalsekretärin aufgehört hat: die Partei von Helmut Kohl lösen. Denn bei einer Kandidatur Schäubles würde Kohl sein zerstörerisches Machwerk mit noch weniger Rücksicht auf das Schicksal der CDU fortsetzen. Der Kampf wäre mörderisch. Kohl und die ewigen Kohlisten in der Union müssen also zwingend in die Schranken gewiesen werden. Das kann Angela Merkel ohnehin nur schaffen, wenn sie nicht auch noch selbst mit Gerhard Schröder ringen muss.

Markus Schubert ist Nachrichtenchef bei antenne-bayern

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