liebeserklärung: Mitch McConnell
Wochen wartete der republikanische Chef des Senats, ehe er Joe Biden zur Wahl gratulierte. Seine Glückwünsche kamen sogar später als die von Putin. Und jetzt hat er ein neues Projekt
Mitch McConnell hat sich Zeit gelassen. Der Mehrheitsführer im US-Senat hat in den sechs Wochen seit der Präsidentschaftswahl keinen Piep getan, sondern ganz staatsmännisch den Mund gehalten, während Noch-Präsident Donald Trump wild Wahlbetrug herbeifantasierte. „Der Präsident hat das Recht, juristische Wege zu beschreiten“, war alles, was McConnell zu sagen hatte.
Dann, am Montag, als das Wahlleutegremium endlich dem Wahlergebnis entsprechend Joe Biden zum kommenden US-Präsidenten bestimmte, erklärte McConnell mit Grabesstimme: „Das Electoral College hat gesprochen.“ Er gratulierte dem gewählten Präsidenten Biden und freute sich ganz doll, dass mit Kamala Harris zum ersten Mal eine Frau die Vizepräsidentschaft übernimmt. Diese Gratulation ging McConnell so entspannt an, dass er am Ende sogar später dran war mit seinen Glückwünschen als Russlands und Brasiliens Präsidenten Putin und Bolsonaro. Nur ein paar Stündchen zwar, aber immerhin. Der Mann hat die Ruhe weg.
Und warum auch nicht, schließlich sitzt der 78-jährige McConnell seit 35 Jahren für Kentucky im Senat, führt dort seit 13 Jahren die republikanische Fraktion und ist seit fünf Jahren Mehrheitsführer. Was sind da schon sechs Wochen, um einem gewählten Präsidenten zu gratulieren? McConnell ist wie ein politischer Berg, der Flüsse, Meere und Wälder kommen und gehen sieht wie im Zeitraffer. Für ihn sind die hoch aufgeregten vier Jahre Trump bloß ein Augenblick. Ein paar Jahre hat er diesem Emporkömmling brav seine Mehrheiten organisiert. Aber damit ist jetzt Schluss. Ein letztes Mal lobte McConnell am Montag die „Errungenschaften“ Trumps, der als Outsider gekommen sei, um Washington aufzumischen, und genau das getan habe. Aber McConnell hat Trump schon abgehakt. Trump ist raus, McConnell noch da – und er hat längst ein neues Projekt.
Die republikanischen Senator*innen müssen auf Linie gebracht werden. Acht Obama-Jahre lang hatte McConnell dafür gesorgt, dass der Präsident nichts, aber auch gar nichts im Kongress durchsetzen konnte. Mit Biden hat er das zweifellos wieder vor. Dafür braucht es die Ruhe und Geduld eines Politikers, dem nur eine Sache wichtig ist: die eigene Macht zu erhalten.
Bernd Pickert
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