kriegsreporter: Tödliche Fehleinschätzung
Wie entsteht mitten im Krieg unser Bild vom Krieg? Die Erfahrungen mit den letzten großen Konflikten haben uns gelehrt, einigen Quellen besonders zu misstrauen. Den „Pools“ etwa, die die Militärs im Golfkrieg aus Kriegsberichterstattern gebildet haben und an ausgewählte Orte in der Nähe von Kampfhandlungen transportierten – es gab persönliche Sicherheit und Informationen gegen die Zusage, nicht auf eigene Faust loszuziehen. Für unliebsame Berichterstattung blieb da kein Platz. Die täglichen Armee-Pressekonferenzen im Kosovokrieg haben gezeigt, wie vorsichtig die Trefferberichte zu behandeln sind. Und der Afghanistankrieg hat uns vor Augen geführt, dass die Medienkonkurrenz noch nebensächlichste Nachrichten aus Pakistan aufgebauscht hat.
Kommentarvon DIETMAR BARTZ
Im nördlichen Afghanistan sind jetzt die ersten Journalistinnen und Journalisten getötet worden, die sich auf eigene Faust ein Bild von der Lage machen wollten. Zu ihnen gehört Volker Handloik, der dort für den Stern arbeitete. Nun möchte man gerne das Blatt für seinen Tod verantwortlich machen. Zu Unrecht – wenn uns eigene Erfahrungen mit dem Krieg abgehen und wir uns nicht auf die kanalisierten Nachrichten der offiziellen Stellen aus beiden Lagern verlassen wollen, bleiben vor allem die Illustrierten mit ihren Geschichten und Fotos, um unsere Meinung über den Krieg zu formen, über Recht und Unrecht, Maß und Ziel. Diese Aufgabe können die elektronischen Medien kaum übernehmen: Wegen ihres technischen Apparates, der schwer zu transportieren ist, bleiben Fernsehleute oft am Rande des Kriegsgeschehens. Deswegen ist es auch kein Zufall, dass unter den deutschen Medien in den letzten Jahren gerade der Stern die meisten Reporter verloren hat.
Auch deswegen hat die Illustrierte mit viel Geld gewunken und damit einen gewaltigen Produktivitätsdruck erzeugt; zuvor hatten andere das Angebot erhalten und abgelehnt. Doch das Klischee vom durchgeknallten Kriegsreporter trifft auf Handloik nicht zu. Er war sich über sein generelles Risiko im Klaren und konnte es nicht über das spezielle sein; die Fahrt mit seinen Kollegen auf dem Militärfahrzeug der Nordallianz war kein Macho-Unternehmen, sondern beruhte schlicht auf der falschen Einschätzung, die Gegend sei sicher.
Die Tragik ihres Todes liegt im Banalen. Sie wollten nur verlassene Schützengraben besichtigen. Bilder vom Krieg hätten sie daraus kaum formen können.
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