piwik no script img

kommentarDer Macher Schily hat seine Grenze überschritten

Ein kleines Wunder müsste geschehen, sollte noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz verabschiedet werden. Denn Otto Schilys Entwurf, zunächst von vielen Kommentatoren als Paradigmenwechsel bejubelt, erweist sich nun als das, was er ist: ein überhastet und schlampig erarbeitetes Papier, allein beseelt von dem Willen, es der Union so rechts wie möglich zu machen.

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als könnte sich Schily als der große Zampano präsentieren. In den nächsten Wochen wird der Innenminister allerdings eine neue Erfahrung machen: Modernes Regieren ist etwas anderes als Arroganz gegenüber Bürgerrechtlern, Brüskierung des Koalitionspartners und tiefe Verneigung vor den Konservativen.

Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen haben das Schily-Konzept gestern als inakzeptabel und völkerrechtswidrig bezeichnet. Das ist keineswegs das moralische Tremolo von Nörglern und Philanthropen, sondern die Kampfansage einer gesellschaftlichen Gegenmacht, mit der CDU-Kanzler Kohl jahrelang ringen musste, bevor er 1990 sein Ausländergesetz verabschieden konnte. Auch Schily wird diese Kräfte nicht in wenigen Wochen niederringen.

Die Grünen allerdings wird Schily nicht mehr mit Billigangeboten gewinnen. Denn laut war aus der SPD zu hören, dass es auf den Koalitionspartner eigentlich nicht ankomme. Eine Provokation, die bei den Grünen verschüttete Tugenden reaktivierte – Charakter, Prinzipien und ein wenig Standfestigkeit. Bleibt die Union. Doch auch wenn Saarlands CDU-Ministerpräsident Peter Müller zur Zusammenarbeit bereit ist, hat Schily nicht zu viel von der Opposition zu erwarten. Weder der Koch-Flügel noch die CSU wird sich den Spaß entgehen lassen, Schily vorzuführen. Die von ihnen geforderten Zugeständnisse werden dem Innenminister nur zwei Optionen eröffnen: Nimmt er das Paket an, kracht es in der Koalition. Weist er es zurück, gibt es kein Gesetz, und der Macher Schily steht entzaubert da. EBERHARD SEIDEL

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen