kommentar: Irakkrieg: Vom deutschen zum europäischen Weg
In den USA ist derzeit eine ziemlich seltsame Debatte zu verfolgen: Man redet munter über einen Krieg gegen den Irak, ohne zu wissen, warum dieser Krieg geführt werden soll. Die US-Falken behaupten, Saddam Hussein habe Massenvernichtungsmittel – aber mehr als ein Verdacht ist das nicht. Die Begründung ist schwach, dafür das Ziel abenteuerlich: Saddams Sturz. Wer missliebige Staatschefs einfach wegbombt, setzt Willkür an die Stelle internationalen Rechts.
Kein Wunder, dass immer mehr fragen: Warum dieser Krieg? Man stellt sie nicht nur in Kuwait, auch manche US-Republikaner warnen vor den Folgen. Denn den US-Falken fehlt nicht nur ein zwingender Kriegsgrund – sie haben außer „Saddam muss weg“ auch keine brauchbare Idee für einen neuen Irak.
Eingedenk all dessen ist der Kanzler rhetorisch auf Distanz zu Bush gegangen. Ja, richtig, man muss Schröders Sprunghaftigkeit kritisieren. Vor kurzem verkündete er „uneingeschränkte Solidarität“, nun will er auf dem „deutschen Weg“ doch noch die Wahl gewinnen. Unser Schlagwortkanzler versteht es, Begriffe zu besetzen – und zwar so gut, dass Show und Substanz verschwimmen.
Schröders Kritik mag also eher an wankelmütige SPD-Wähler in Dortmund als an das Weiße Haus addressiert sein. Trotzdem stärkt sein Nein jene Zweifler in Washington, die eigentlich nichts gegen einen Irakkrieg haben, aber um die wackelige „Koalition gegen den Terror“ fürchten. Einen Alleingang ohne Nato-Staaten wie Deutschland und ohne arabische Verbündete wie Jordanien? Das wird Bush kaum wagen.
Dass Schröder das richtige Signal über den Atlantik gefunkt hat, beweist die nervöse Antwort. Via Botschafter ließ Bush verkünden, was Schröders „deutscher Weg“ taugt: nichts. Dieser kleine (un-)diplomatische Eklat hat eine imperiale Anmutung: So redet man nicht unter Freunden, so weist der Herrscher in der Zentrale einen eigensinnigen Statthalter in der Provinz zurecht.
Aber so funktioniert das nicht – trotz globaler US-Hegemonie. Kein deutscher Kanzler, kein EU-Regierungschef kann es sich leisten, als Washingtons Befehlsempfänger zu erscheinen. Ein US-Präsident, der solch autoritären Gesten nötig hat, wirkt schwach, nicht stark. Und Schröder mutig, nicht beliebig.
Das alles ist Taktik, Show, politisches Spiel – aber die kleine Affäre zeigt auch etwas Substanzielles: Die Deutschen sind nicht bloß machtlose Zuschauer der US-Politik. Sie haben Einfluss. Falls es Schröder & Co wirklich ernst mit ihrem Antikriegskurs ist, dann müssen sie den deutschen nun zum europäischen Weg verbreitern. STEFAN REINECKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen