kommentar von Andrea Scharpen über den Rauswurf der Nazi-Gegner: Die Argumente sind zu dünn
In Bad Fallingbostel gibt es Jugendliche, denen ihre Nachbarschaft nicht scheißegal ist. Menschen, die gegen Rassismus kämpfen, und ein breites Bündnis, deren Mitglieder die Neonazi-Strukturen in der Region im Auge behalten und darüber informieren. Bürgermeisterin Karin Thorey (parteilos) müsste von so viel demokratischem Engagement eigentlich begeistert sein, sperrt die Aktivisten stattdessen aber aus ihrem Rathaus aus.
Die Argumente dafür sind dünn: Sie habe „sehr starke Sicherheitsbedenken“. Zudem hätten die Veranstalter die „Prinzipien des Rechtsstaats verletzt“, indem sie in ihrem Flyer auf ein Paar hingewiesen haben, das im Ortsteil Dorfmark lebt.
Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen: Wenn die Bürgermeisterin Sicherheitsbedenken hat, weil es eine aktive rechte Szene gibt, die den Besuchern gefährlich werden könnte, ist das nur ein Argument für die Veranstaltung. Umso wichtiger ist es, über die Strukturen zu informieren. Dann muss man den Info-Abend eben mit Polizisten schützen. Das geht bei rechten Demos ja auch.
Außerdem scheint auch die Zuspitzung des Info-Abends auf die zwei Anwohner legitim. In Dorfmark finden seit Jahrzehnten Treffen des völkisch-antisemitischen Bundes für Gotterkenntnis statt. Und im Garten besagter Anwohner tauchen plötzlich Mitglieder des rechtsextremen Freundeskreises Niedersachsen/Thüringen mit Bengalos im Garten auf. Mit der Aktion hat das Paar seine politische Haltung öffentlich gemacht.
Deren Rolle in der Szene zu thematisieren, bedeutet nicht, sie an den Pranger zu stellen. Der Fall unterscheidet sich etwa von jenen Hacker-Angriffen, mit denen Namen und Adressen von Kunden rechtsextremer Onlineshops beschafft werden, um sie im Netz zu veröffentlichen. Nicht jeder, der mal ein T-Shirt bestellt hat, darf als Neonazi geoutet werden. Aber dieses Paar hat offenbar intensive Kontakte in die rechtsextreme Szene und weiß die „Kameraden“ nach Dorfmark zu mobilisieren. Darüber Bescheid zu wissen, ist für die Bürger wichtig. Und ein solcher Info-Abend sicher nicht kriminell.
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