piwik no script img

kommentar Kaija Kutter über zwangsTicket für FlüchtlingEMobilität muss sein

Die Lösung wäre relativ einfach: eine Sozialkarte für alle, die eine möchten.

Nach dem Vorbild des Semestertickets soll es ab Januar für alle Flüchtlinge in Hamburger Erstaufnahmen ein 25-Euro-Monatsticket geben. Das scheint ein pragmatische Lösung zu sein, um den Menschen im Alltag das Leben wenigstens ein bisschen zu erleichtern. Mobilität ist wichtig, gerade für Menschen die in beengten Unterkünften leben. Ohne sie ist eine schelle Integration gar nicht denkbar. Soweit: Gute Idee!

Aber es gibt zwei Haken an der Sache: Die Einführung dieses Tickets erinnert an eine Ungerechtigkeit. Hartz-IV-Empfängern wird der Zugang zu Mobilität in Hamburg seit Jahren schwer gemacht. Wer morgens oder nachmittags einen Termin hat, kommt um den Kauf einer teuren Tageskarte nicht herum. Diese Kritik kann man üben, ohne des Sozialneids bezichtigt zu werden. Auch Flüchtlinge, die in Folgeunterkünfte kommen, haben – so der Plan – ja nur diesen beschränkten Zugang zu Bus und Bahn.

Die üble Erfahrung, beim Schwarzfahren erwischt zu werden, machen täglich viele Arme. Aus Spaß steigt keiner ohne Fahrschein in die U-Bahn. Laut einer Anfrage der Linken sitzen in Hamburg 100 Menschen wegen Schwarzfahrens im Gefängnis. Das verursacht im Monat 500.000 Euro Kosten, allein davon könnte man Tausende echter Sozialtickets subventionieren.

Der zweite Haken: Alle neue angekommen Flüchtlinge müssen in den ersten Monaten diese Karte beziehen. So schränkt eine Sache – die als freiwilliges Angebot bestimmt vielen willkommen ist – die Handlungsautonomie der Menschen ein.

Die Lösung wäre relativ einfach: eine bezahlbare Sozialkarte als Angebot für alle, die eine möchten. Denn soziale Isolation macht krank. Für die Gesellschaft wird es teurer, Menschen von Mobilität auszuschließen als sie zu gewähren. Was Bürger für Bus und Bahn bezahlen, muss im Verhältnis zu ihrem verfügbaren Einkommen stehen, so wie die Kita-Gebühren auch für Arme günstiger sind.

Hamburg mit dem Vorstoß für die verpflichtende Flüchtlingskarte auch das Thema Sozialticket wieder auf die Tagesordnung gesetzt und damit A gesagt. Jetzt müssen sie auch B sagen. 25 Euro, so viel wie der Regelsatz für Asylbewerber und Langzeitarbeitslose vorsieht, könnte ein Sozialticket kosten. Mehr nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen