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kindergelderhöhungDie halbe Wahrheit

Kinder sind teuer. Über 700.000 Mark kostet das Blag, bis es volljährig ist. Ein gutes Drittel dieses Betrags trägt bereits jetzt der Staat: über Kinderfreibeträge, Kindergeld, die Finanzierung von Schulen und Kindergärten. Nun will die Regierung das Kindergeld um weitere 30 Mark erhöhen. Damit würden Eltern in den ersten 18 Lebensjahren eines Kindes noch einmal mit 6.480 Mark bezuschusst. Das ist ein Witz. Denn das weitaus Teuerste an Kindern, das zeigen alle einschlägigen Berechnungen, ist der Verdienstausfall der Eltern.

Kommentarvon HEIDE OESTREICH

Nur dadurch, dass zumindest ein Elternteil mehrere Jahre lang nicht voll arbeiten kann, kommt der horrende Betrag zustande. Nahrung, Kleidung, Urlaub und Freizeitvergnügen des Sprosses allein kosten die Familien in 18 Jahren nur etwa 150.000 Mark. Es ist also kein Wunder, dass LänderchefInnen wie Sigmar Gabriel oder Heide Simonis laut überlegten, ob das Geld statt in einem Almosen für Familien nicht besser im Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung angelegt wäre. Denn wenn beide Eltern arbeiten können, so die Rechnung, sind Kinder nicht mehr unbedingt ein Armutsrisiko.

Das ist schön ausgedacht – wäre da nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn egal wie mies die Steuerschätzung ausfallen mag: Die Kindergelderhöhung muss kommen. Schließlich hat Karlsruhe dem Bund eine massive Steigerung der Steuerfreibeträge diktiert, mit denen das Kindergeld bei reicheren Familien verrechnet wird. Steigen die Freibeträge weiter, so stehen ärmere Familien, die nur Kindergeld beziehen, im Vergleich immer schlechter da. Jemand, der den Spitzensteuersatz zahlt, so rechneten kürzlich SPD-Finanzexperten aus, käme heute schon mit dem Freibetrag auf eine Erleichterung von 450 Mark im Monat. Ohne Kindergelderhöhung würde die so entstehende Gerechtigkeitslücke folglich immer größer.

Am Kindergeld kann also nicht gespart werden – obwohl jedes Kind errechnen kann, dass eigentlich Maßnahmen gefragt wären, die Eltern das Arbeiten ermöglichen. Dass der Bund hier rein gar nichts tun kann, weil Kinderbetreuung nun mal Ländersache sei, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die Regierung hätte etwa über das Gleichstellungsgesetz die Unternehmen in die Pflicht nehmen können, damit diese arbeitswilligen Eltern das Leben erleichtern. Diese Chance lässt der Kanzler gerade verstreichen. Statt Eltern, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, schenkt uns Schröder 30 Mark. Danke.

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