kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Sportart
Aquaball
Wasser ist Aqua, und ein Ball ist ein Ball. Also ist Aquaball quasi Wasserball. Aber weil es Wasserball schon gibt und weil im Wasserball traditionell Berlin mit Spandau schon ganz gut ist, unterscheidet sich Aquaball doch vom Wasserball.
Zum einen findet es vorwiegend in Kreuzberg statt, zum anderen im uringewärmten Teil des Hallenbades. Außerdem ist es eine Art „Streetball im Nichtschwimmer“. Aquaball ist nämlich kaum organisiert, kaum reglementiert, für alle offen und eine Erfindung der Neunzigerjahre. Erfunden wurde es 1995, aber nicht wie Streetball in der New Yorker Bronx, sondern im hessischen Kassel. Denn dort liegt die Geschäftsstelle des Deutschen Schwimmverbandes (DSV), und weil dem Verband die Jugendlichen davonliefen, suchte der Breitensportreferent Wolfgang Lehmann nach einer Antwort des Schwimmsports auf das populäre Streetball.
Der Sportwissenschaftler stellte an eine neue Sportart wenige, aber wichtige Anforderungen: einfache Regeln (beim Aquaball bestehen sie aus gerade mal fünf Sätzen), kaum erforderliche Ausrüstung (ein Ball und ein aufblasbares Tor), und auch Untrainierte sollten jederzeit sofort mitmachen können (flaches Wasser). Die Realisierung von Lehmanns Idee sieht nun so aus, dass vier gegen vier gespielt wird, dass ein Ball auf ein wie ein Schlauchboot ausschauendes Tor geworfen wird, und wer den Ball hat, darf sich nicht bewegen, sondern die übrigen drei Teamkollegen müssen sich gehend oder schwimmend im brusttiefen Wasser verteilen. Bevor es zum Torwurf kommt, muss erst dreimal gepasst werden. So sollen alle spielerisch in Bewegung sein, und die großen, dicken Jungs, die im Schulsport diese Art des Wasserballs durch dauerndes Krachenlassen des Balls unattraktiv machten, müssen auch mal den Ball abgeben. Männer und Frauen spielen beim Aquaball zusammen, und ein Schiedsrichter ist meistens nicht nötig, denn die Teams sind dazu angehalten, alles selbst zu regeln.
Deutscher Vizemeister dieser Sportart sind die Berliner Haie vom SC Welle, der wiederum der größte Schwimmverein Kreuzbergs ist. Deutscher Meister bei den Jugendlichen, das heißt also in der der Zielgruppe zu gewandten Sprache der Aquaballer: Gewinner des „Youngster Cup“, sind die Bunnyhunters aus Berlin, die zum BSV 1878 gehören, der auch in Kreuzberg ansässig ist. Die Berliner Haie waren 1999 auch schon Vizemeister und 1998 sogar Meister. Berlin ist also eine Hochburg des Aquaballs, und alle Bemühungen des DSV, den von ihm selbst erfundenen Funsport mal so richtig zu popularisieren, finden auch in Berlin statt.
Anders als Wasserball ist Aquaball eine sehr offene und spontan zu betreibende Sportart: Es benötigt nur wenig Wasserfläche und wird deshalb von den Badbetreibern, egal ob Sportämtern oder Privatfirmen, lieber zur Verfügung gestellt, als wenn man gleich die ganze Halle wegen eines Wasserballspiels sperren müsste. Ein Aquaballturnier kann sogar während des normalen und eintrittspflichtigen Badebetriebes stattfinden. Damit Aquaball populär wird, organisiert der DSV seit drei Jahren eine „Champions Tour“ durch Deutschland. In Berlin macht sie im Mai Halt. Und so genannte Challenge Turniere finden laufend statt, meist vom SC Welle im Schwimmbad am Spreewaldplatz organisiert, z. B. am 18. März und am 22. April. Es sind Werbeauftritte, bei denen die Aquaballer darauf spekulieren, dass Interessierte Normalschwimmer mitkriegen, dass im Nichtschwimmerbecken ein paar Verrückte etwas machen, was sonst dort nicht stattfindet.
Die aufblasbaren Tore kosten etwa 1.300 Mark und kommen aus Italien, wo sie im Wasserballtraining benutzt werden. Anders als die sperrigen Alu-Tor sind sie leicht zu transportieren. Sie passen in jeden Kofferraum, weswegen man sie auch mal auf einem See einsetzen kann. Ihr größter Vorteil aber ist im Vergleich zum Aluminium ihre Weichheit: Wenn der Torwart seinen Schädel zwischen Ball und Pfosten bekommt, tut es ihm nur auf einer Seite weh, nämlich der vorderen und dem Ball zugewandten. Bislang ist die neue Sportart eine rein deutsche Veranstaltung. „Wir versuchen eine Kooperation mit den Niederländern“, meint Wolfgang Lehmann, der Erfinder vom Verband, „auch an Österreich, Schweiz und vielleicht Dänemark ist gedacht.“
Aquaball ist schon auf dem Weg zu einer eigenen Sportart, und wenn die auch in anderen Ländern populär wird, könnte auch eine Liga konstituiert und eine Nationalmannschaft aufgebaut werden, die Europa- und Weltmeisterschaften bereist. Und Kreuzberg wäre die Hochburg. MARTIN KRAUß
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