kabolzschüsse: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart
Cheerleading
Lester Burnham alias Kevin Spacey sabberte ein wenig. Diese Blondine verwirrte ihn offenbar. Angela Hayes (Mena Suvari) schwenkte die Puschel aufreizender als jede andere, kreiste mit den Hüften, dass die Augen übergingen. In „American Beauty“ findet sich diese wunderbare Szene vom Tanz eines Cheergirls. Angela zerfetzt Lesters Herz mit ihren Blicken geradezu und verknotet seine Sinne zum wirren Knäuel. Wo sonst Gekreische und Gehopse die Fans beleben soll, formulierte Regisseur Sam Mendes die Antithese des Cheerleading, bestehend aus Kontemplation, Anmut und Verführung.
Damit in der Realität „eine fette Party“ abgehen kann, wie es vom Footballteam Berlin Thunder heißt, muss der Cheerleader notgedrungen „das Publikum anheizen“, „die Athleten zum Sieg schreien“. Bevor der Cheerleader jedoch seiner Bestimmung folgen kann, gilt es den Tryout zu bestehen. Dabei werden die Begabten von den Nieten getrennt. Um etwa Mitglied der Cheerleader von Thunder zu werden, sollte man 70 Bewerberinnen ausstechen. Ende Oktober fand in einer Turnhalle das Casting statt. Ein gewisser Ruf geht all ihnen voraus: Die blonden Dummchen wollten doch nur Krach schlagen, um den Quarterback ins Bett zu kriegen; ihr Lebensmotto erschöpfe sich in einem „It's great to be straight“. Die Promi-Jury wählte schließlich 26 Tänzerinnen aus, die nun von April bis Juni im Jahn-Sportpark Formationstänze präsentieren. Darunter finden sich Brünette, Dunkle, Rothaarige. Bürokauffrauen, Verwaltungsinspektorinnen und Krankenschwestern. Lucy Hertel, die die Selektion glücklich überstand, sagt: „Tanzen macht einfach Spaß. Außerdem sind die Uniformen supersexy und die Tänze genial.“ In ihrer Freizeit liebt sie es, „zu flirten und zu lachen“. Wird ihr fad, mache sie die Wohnung gern sauber oder schmuse mit ihrem Hund. Dreimal die Woche übt Lucy unter Anleitung von Amber.
Amber Wisneski wollte eigentlich Karriere in der kalifornischen Unterhaltungsbranche machen, aber nun ist sie Tanzchefin bei Thunder. Sie tanzt seit 20 Jahren und wurde sogar Miss Missouri Dance. Sie kann alles: Stepptanz, Ballett, Jazz Dance und Spitzentanz. Etwas davon muss jedes amerikanisierte Funkenmariechen beherrschen. In den Übungsstunden wird außerdem an den Kampfsongs gearbeitet. „Go, Thunder go“ zum Beispiel.
Man schlägt auch Räder und stimmt die Synchronizität der Bewegungen ab. Thunders Cheerleader sind die mit Abstand schönsten der Stadt. Das gestanzte Lächeln kommt zwar auch beim Danceteam von Alba Berlin hervorragend zur Geltung, aber die Damen tragen recht unvorteilhafte Miederhosen. Nichtsdestotrotz kreisen die goldenen Glitter Show Pompons recht schwungvoll.
Männer sind nur in Amateurteams erlaubt. Die sind dazu da, durch eine Tröte (Cheer Megaphons) zu brüllen. Manch einer taugt auch als Hebebühne und stemmt leichtere Kollegen in die Luft, wo diese dann äquilibristisch arbeiten. Eine Deutsche Meisterschaft gibt's auch. Die Wolfsburg Honeybees gewannen zum fünften Mal in Folge. Abgeschlagen landeten aus Salzgitter die Salty Duchess. Was so viel heißt wie: salzige Baronessen. Dann doch lieber Honigbienen. MARKUS VÖLKER
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