piwik no script img

jenni zylka über Sex & LügenEin Aufsatz in Fachkinesiologisch

Oder: Wenn die Rechte nicht merkt, mit wem die Linke flirtet

Wenn ich Besuch erwarte, überlege ich mir vorher oft stundenlang, welche Musik ich auflege. Das liegt daran, dass Musik eine eigene Sprache ist, derer mein Besuch übrigens nicht unbedingt mächtig sein muss: Manche Gäste sind erfreut, andere bemerken meinen parallelen Kommunikationsversuch gar nicht oder, im schlimmsten Falle, finden die Musik doof. Und ich den Gast damit auch.

Körpersprache, Kinesiologie sagen Fachmann und -frau, ist ebenfalls ein eigenes Idiom, das zwar alle beherrschen, das aber in unterschiedlichsten Dialekten gesprochen wird. Die am meisten zu beobachtende Aussage ist das Sich-selbst-Anfassen während der Plauderei mit einem knackigen Gesprächspartner, also natürlich (erst mal) an unauffälligen Stellen wie dem Hals oder dem Kopf. Man fingert sich wie zufällig am Nacken herum und wünscht sich eigentlich, dass das Gegenüber einspringt und anfasst. (Wenn man sich jedoch jetzt, wo man denkt, den Code geknackt zu haben, komplett auf dieses Anzeichen verlässt und wild weiterflirtet, darf man nicht vergessen: auch knackige Gesprächspartner kratzen sich manchmal nur am Kopf, weil der Grind juckt, oder killern sich am Hals, weil die Waschmittelallergie anfängt. Freud und Leid, erfolgreiches Aufreißen und peinlichstes Korbkriegen hocken eben im selben Einmannkanu.)

Als Körpersprache-Spruch noch verbreitet (nach Rotwerden und die Beine in die parallele Richtung überschlagen) ist, vor allem bei Männern, die Präsentation der Achselhöhlen. Denn da sitzen ja die leckeren Moschusduftdrüsen, oder verwechsele ich das mit Stieren? In Cafés und Kneipen, bei Partys und Stehempfängen bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Männer mit hochgereckten Armen um ihre FlirtpartnerInnen herumscharwenzeln. Als ob sie gerade von den Ringen heruntergehüpft seien und jetzt noch den Abschlusssprung nach dem Über-das-Pferd-Grätschen machten. Diese Art der Männlichkeitsdemonstration finde ich aber eigentlich sehr rührend, beizeiten anregend und außerdem wirklich aufschlussreich: JedeR weiß ja, dass Leute gut riechen, wenn man sie gut riechen kann, und im Umkehrschluss muss daher die logische Folgerung kommen: allein doofe Männer riechen schlecht. Nette Männer riechen prinzipiell gut, auch wenn sie gerade einen Hinkelstein 42,2 km weit geschleppt haben, nur mit einem engen Plastik-Catsuit bekleidet. (Manchmal MUSS man übertreiben.)

Eine sehr, sehr tolle kinesiologische Aussage ist das „Mirroring“ des Gegenübers. Dabei ahmt man in Mimik und eventuell auch Gestik mehr oder weniger unwillkürlich seineN GesprächsparterIn nach. Das ist vielleicht mal sympathisch! Meine besten Freunde sind unbewusste Mirrorer, und wenn ich ihnen etwas erzähle, könnte ich immer vor Freude quietschen, wenn ich sehe, wie nett sie mich nachmachen, etwa die Stirn in wulstige Sorgenfalten legen wenn ich etwas Trauriges erzähle, oder die Augen aufreißen, wenn ich versuche, sie mit etwas auf die Folter zu spannen. Dieses Ausdrucksspiegeln ist meiner unmaßgeblichen Ansicht nach auch der Grund dafür, dass der Mensch bestimmt nie wegen neumodischer und gesichtsloser Kommunikationssperenzien vereinsamen wird, sei es auch noch so bequem, zu telefonieren und zu chatten. Jemandem persönlich etwas zu verticken, ist und bleibt das Schönste.

Bei einer Unterhaltung zwischen Gspusis in spe spielt das (auch bei Menschenaffen weit verbreitete) Mirroring eine große Rolle: Je mehr und tiefer man sich auf sein Gegenüber einlassen möchte, desto mehr wird man Interesse an dem Gehörten sichtbar machen. Also sag ich jetzt mal so ganz küchenpsychologisch aus dem Lameng, wenn der/die Angeflirtete erwartungsvoll losgluckst, nur weil man angekündigt hat, „was Lustiges“ zu erzählen, dann hat man ihn/sie schon halb im Bett. Es sei denn, er oder sie macht sich mit einem einen Körpersprachwitz.

Nicht ganz sicher bin ich mir über die Rolle, die die weibliche Brust im Körpersprach-Lexikon spielt. Ich habe schon mit ungefähr 35 Menschen über das „Busenlupfen“ gerätselt, das John Irving in seinem besten Buch („Die wilde Geschichte vom Wassertrinker“) der Protagonisten-Freundin Tulpen als reizenden Tick mitgibt: Wann immer sie etwas belächelt oder doof findet, „lupft sie einen Busen“. Keiner, und ich natürlich auch nicht, weiß, was Irving damit genau meint. Und da der blöde Kanadier bekanntlich so ein Kriegstreiber ist und die kitschige Versöhnlichkeit seiner Romane auf Dauer ohnehin nervt, werde ich ihm auch nie einen Leserbrief schicken, um das herauszubekommen. Trotzdem: Gibt es etwas, was Frauen mit ihrem Busen anfangen, um im Gespräch eine bestimmte Stimmung/Richtung/Aussage zu erreichen? Spielt die Busengröße (-form oder -anzahl) da eine Rolle? Tja. Wenn man das als Busenträgerin schon nicht weiß …

Jedenfalls hab ich mir überlegt, dass ich demnächst, wenn jemand mal wieder meine eingangs erwähnte Musikkommunikation nicht versteht, zu einem sehr starken Körpersprach-Ausdruck, dem Pendant zu einem Schrei quasi, greifen und spornstreichs einen Neurodermitis-Anfall simulieren werde. Sozusagen körpersprachs, und macht auf dem Absatz kehrt.

Fragen zu Sex & Lügen: kolumne@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen