israelische arbeitspartei: Kandidat der Verzweiflung
Amram Mitzna ist der richtige Mann zur falschen Zeit. Nur gut zwei Monate bis zu den israelischen Neuwahlen bleiben dem Exgeneral, dessen erster und bislang letzter politischer Amtssitz das Haifaer Rathaus war, um sich dem Volk als geeigneter Regierungschef zu präsentieren. Unter den gegebenen Umständen wird ihm das kaum gelingen.
Kommentar von SUSANNE KNAUL
Mitzna ist ein Mann des Friedens und setzt ungeachtet seiner eigenen, jahrelangen Armeezeit eher auf Dialog und Kompromisse als auf militärische Gewalt. Dazu gehört auch die Auflösung jüdischer Siedlungen. Zugeständnisse an den Feind sind jedoch in Tagen wie diesen, wo die Gefahr neuer Terroranschläge die Stimmung im Land beherrscht, wenig populär. Im Gegenteil: Je mehr Opfer die Intifada auf israelischer Seite fordert, desto sicherer sitzt der Mann der harten Hand, Ariel Scharon, auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten.
Benjamin Netanjahu gelang der Wahlsieg gegen den moderaten Schimon Peres 1996, nachdem eine Welle von Terrorattentaten unmittelbar vor dem Urnengang rund hundert israelischen Zivilisten das Leben kostete, und genauso verdankte Scharon seinen Sieg über den Sozialisten Ehud Barak fünf Jahre später dem zunehmend militanten palästinensischen Widerstand.
Der überzeugende parteiinterne Wahlerfolg Mitznas ist wiederum mit dem Zustand der Partei zu erklären, die in der Koalition mit Scharon an eigenem Format verloren hat. Eine Fortsetzung der Führung Ben-Eliesers hätte zweifellos zu einer Abspaltung des linken Lagers und der Gründung einer neuen Liste geführt. Ein weiterer Grund für den Sieg des moderaten Kandidaten ist die Konstellation der Parteimitglieder, die nicht – wie man vermuten müsste – aus den Reihen der „Arbeiter“ kommen, sondern genau umgekehrt eher die gehobene Mittel- und die Oberschicht der Gesellschaft repräsentieren. Die israelische Arbeitspartei war stets eine Bewegung der etablierten Aschkenasim und des Kapitals. Ihr Votum für Mitzna spiegelt ihre Verzweiflung angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage.
Nur ein neuer Kurs im Konflikt mit den Palästinensern kann die für ein erneutes Wirtschaftswachstum zwingende Annäherung der beiden Konfliktseiten herbeiführen. Da die Mehrheiten in der Gesamtbevölkerung andere sind als in der Arbeitspartei, wird Mitzna jedoch vermutlich genauso schnell wieder von der politischen Bildfläche verschwinden, wie er auftauchte.
ausland SEITE 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen