iran: verhaftungen: Verrat, Blutbad oder Resignation
Am Wochenende hat das islamische Revolutionsgericht bekannt gegeben, dass rund dreißig führende Mitglieder der „Freiheitsbewegung Iran“ festgenommen und sämtliche Büros dieser halblegalen Organisation geschlossen worden seien. Denn die Gruppe plane die Abschaffung des Gottesstaates, stifte Unruhe und Unzufriedenheit, kollaboriere mit Konterrevolutionären im Ausland.
Der Angriff der Konservativen kommt nicht überraschend. „Die Freiheitsbewegung“ gehört zu einer im Iran weitverbreiteten und einflussreichen Strömung, die als „national-religiös“ bezeichnet wird. Aus dieser Strömung sind die bekanntesten Erneuerer hervorgegangen, sie bildet das Rückgrat der Reformbewegung und – noch wichtiger – sie ist die Brücke zwischen den Reformern innerhalb und außerhalb des Systems.
Kommentarvon BAHMAN NIRUMAND
Schon vor einem Jahr hatte der konservative Revolutionsführer Chamenei die Reformer um Chatami herum davor gewarnt, mit dieser Gruppe zusammenzuarbeiten. „Wir sind nicht gegen Reformen, aber diese müssen im Rahmen unseres islamischen Systems stattfinden“, sagte Chamenei. Die Furcht des Revolutionsführers ist nicht unbegründet. Es ist kein Geheimnis, dass die „National-Religiösen“ das System des welayate faghieh (der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit) entschieden ablehnen, dass sie tiefgreifende Reformen im Islam sowie die Trennung der Religion vom Staat anstreben.
Die Warnung des geistlichen Oberhaupts lieferte den Auftakt zu einer landesweit angelegten Kampagne, die mit den Verhaftungen am Wochenende ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat. Diese Verschärfung geschieht im Hinblick auf die Präsidentenwahl Ende Mai; Ziel ist es, die Nabelschnur zwischen Chatami und den Wählermassen zu trennen.
Hätte diese Strategie, die einem Staatsstreich gleichkommt, Erfolg – dann blieben Chatami drei Möglichkeiten: Er müsste sich entweder dem Diktat der Rechten beugen, das Handtuch werfen oder eine offene Konfrontation wagen. Das wäre eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die erste Möglichkeit würde Verrat an sich und den Wählern bedeuten, die zweite Resignation, die dritte ein Blutbad mit ungewissem Ausgang. Die Chance, dass Chatami seine bislang souveräne Haltung und seine Strategie der „leisen Schritte“ fortsetzen könnte, wird von Tag zu Tag geringer.
Der Autor ist freier Publizist und hat 1982 den Iran verlassenausland SEITE 10
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