piwik no script img

in fußballlandCHRISTOPH BIERMANN über den Trainer Littbarski

Keine Späße für Dingsda

Gut, dass jetzt Litti da ist. Denn eigentlich hat der MSV Duisburg zu den Klubs gehört, die ich immer ein wenig gemocht habe. In den letzten Jahren gab es jedoch zugleich kaum eine Mannschaft, die mir mehr auf die Nerven gegangen ist, als die in den blauweiß geringelten Trikots. Grausam war es, den Antifußball der Ära Funkel anzuschauen. Erbitterte Diskussion musste ich mit Freunden führen, die am MSV Duisburg hängen und beleidigt waren, dass ich trotz einstelliger Tabellenplätze in der Bundesliga meine Verachtung für die unappetitliche Mischung aus defensiver Destruktion und parasitärem Konterfußball kaum verhehlen konnte. Auch mein Mitgefühl für den Abstieg der Zebras und ihre Kämpfe in der zweiten Liga hielt sich in übersichtlichem Rahmen.

Deshalb bin ich seit jenem Nachmittag im lichtdurchfluteten Besprechungszimmer des hübschen Trainingszentrums sehr froh, dass ich Duisburg wieder die Daumen drücken darf. Denn Pierre Littbarski war nicht nur sehr freundlich, sprach zwischendurch doch wirklich auf Japanisch in sein Mobiltelefon, sondern sagte auf Deutsch eine Menge Sätze, die man in Duisburg lange vermissen musste. „Ich bin davon überzeugt, dass Fußball auch Unterhaltung sein muss“, meinte er, „wenn die Leute 30 Mark für eine Karte bezahlen und sich nur Gebolze anschauen müssen, habe ich als Trainer meine Aufgabe nicht erfüllt.“ Gut gesagt und vor allem auch umgesetzt, denn im Wedaustadion gilt endlich wieder das Bemühen um ansehnlichen Fußball. Welch ein Segen!

„Ich hätte auch einen Klub in der dritten Liga übernommen“, sagte Littbarski, „was nützt es mir, wenn ich drei Millionen Mark im Jahr einstecke, wir aber nur rumgurken oder mir einer in die Aufstellung reinquatschen will.“ Auch das war keine schillernde Seifenblase eines nur vermeintlich Dünkellosen. In Japan trainierte der Weltmeister von 1990 einen Drittligisten, der seine Übungen auf Ascheplätzen absolvieren musste. Aber prima war’s dort trotzdem, wie auch – wer würde das umstandslos vermuten – in Duisburg. „Ich komme jeden Tag gerne, weil fast alle Spieler Spaß am Training haben und wir uns weiterentwickeln.“

Littbarski sprach viel von Spaß, womit aber nicht seine spätpubertär wirkenden Witze aus Kölner Zeiten gemeint waren. Damals hatte er seinem Mannschaftskameraden Konopka die Schuhe an den Boden genagelt. Haha. Als er nach sieben Jahren in Japan zu Berti Vogts’ Trainerteam in Leverkusen stieß, kämpfte er etwas verbissen gegen alte Wahrnehmungen. „Es hat mich geärgert, dass die Leute nicht akzeptiert haben, dass ich mich entwickelt habe“, sagte er, „die hatten mich noch als den Litti in Erinnerung, der selbst mit 33 Jahren Späße für Dingsda macht, aber das war nicht mehr.“ Also gab er sich als eine Art von Anti-Litti betont schroff.

Littbarski hat in Japan seine Karriere als Spieler beendet, dort anschließend als Trainer gearbeitet und sogar einen Klub mitgegründet. Als die Yokohama Flugels ihren Sponsor verloren, wurde der Yokohama FC gegründet. Der erste richtige Fußballverein, wo die anderen Klubs eher Marketingaktivitäten japanischer Großunternehmen sind.

Littbarski hat eine japanische Frau geheiratet und ein Kind mit ihr zusammen. Er erzählte mir, dass man japanischen Kickern gegenüber den Gegner nicht als Feindbild aufbauen kann. Das wäre ihnen unangenehm. Sie würden zwar siegen wollen, aber der Opponent soll dabei noch sein Gesicht bewahren. Zen und die Kunst, nur mit 1:0 zu gewinnen. Sozusagen.

Das hat Spuren hinterlassen. Nach der Pokalniederlage bei Union Berlin hatte Littbarski sich darüber geärgert, dass er in der Pressekonferenz auf seinen Trainerkollegen warten musste, weil der noch glaubte, erst einmal telefonieren zu müssen. Kürzlich hat Duisburg das Punktspiel an der Wuhlheide gewonnen. „Früher hätte ich das zu einer Replik ausgenutzt“, sagte er, „aber nun saß ich da und hatte es einfach vergessen.“ Dann stand Littbarski auf, rieb sich die Hände und sagte, wie sehr er sich jetzt aufs Training freuen würde. Und ich freute mich gerne mit.

Fotohinweis:Christoph Biermann, 40, liebt Fußball und schreibt darüber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen