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ie Sonne brannte. Ein heißer Sommertag, die See war ruhig, und noch einmal warf er einen prüfenden Blick zurück zum langsam kleiner werdenden Hafen von San Sebastian. Später Vizekönig der zu entdeckenden Länder, ein Zehntel der zu erwartenden Beute für ihn. Christoph Columbus lächelte gedankenverloren. Es würde eine lange Reise werden, die erste Atlantiküberquerung, Indien sollte es sein: Doch am 3. August 1492 war Gomer Sprungbrett für die Entdeckung des großen Amerikas. Die Epoche der weltweiten europäichen Expansion war eingeläutet und die sagenhaften Gold- und Silberschätze aus der neuen Welt wurden zunächst auf die kleine Insel gebracht... Einige hundert Jahre später: Einen Flughafen hat Gomera immer noch nicht. Nur eine Straße führt ins Valle Gran Rey, aber von dort kommen viele große Busse... Felsmassen türmen sich auf, recken sich majestätisch in die Höhe. An einigen Stellen sind die Metallplanken, die die Serpentinen sichern sollen, aufgebrochen. Sehr steil ist es, wenn man hinunter in die tiefe S

Ein sonderbarer Mond über dem Valle Gran Rey - dem Tal des großen Königs. Abgewendet liegt er auf der Seite, als schliefe er, wie desinteressiert an den Dingen dort. Überall auf jedem Postamt Geld? Der Komfort des Postsparbuchs? Im Valle Gran Rey wußte man nichts davon. Auch Briefmarken gab es, so schien es, nur zu besonderen Anlässen. Weinterrassen und Palmenoasen.

Sodom und Gomera. Preßlufthämmer und Zementberge sind, unvoreingenommen betrachtet, lediglich Zeichen einer florierenden Bauwirtschaft. Gomera, nur 378 Quadratkilometer groß, bemüht sich, auch in dieser Hinsicht nicht hinter die anderen kanarischen Inseln zurückzufallen. Früher einmal war es das Paradies der Freaks. „Früher einmal“, das hört man hier oft. Der Tourismus hat an die Tür geklopft, aber das Holz war dünn. Weichen mußten die beiden schönsten Bars der Verbreiterung der Strandpromenade. Am Abend saß man dort, am Morgen stand ein Bagger da, einfach wegplaniert. „Hier kann man wenigstens nichts mehr kaputtmachen!“ meint eine Touristin. Unter diesem Gesichtspunkt kann man das Valle Gran Rey empfehlen.

„Komm doch auch rüber, wir sitzen dort alle an dem großen Tisch.“ Jetzt haben sie dich! Die deutsche Frage ist hier schon lange geklärt. 80 Prozent der Touristen sind Berliner. Der Kontakt mit Einheimischen ist völlig unnötig. Das erspart die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Ärger aufgrund von Mißverständnissen. Rucksacktouristen halten sich für die besseren Touristen, denn sie sind Individualreisende. Immer wenn sich genug Individualreisende mit gemeinsamen Interessen gefunden haben, bilden sie eine Gruppe. Schnell artikuliert sich dort die kollektive Abneigung gegen „Neckermänner“, Pauschalreisende und ähnlich moralisch Verirrte. Wenn dann die ersten „Birne„-Witze die Runde machen, ist auch politisch der kleinste gemeinsame Nenner gefunden. Etwas abseits stehend, plädiert ein seltsam fremdartiger Mensch, der sich offenbar nicht der Gruppe zurechnet, für eine „gesamtdeutsche Mauer“.

Wenn man den gegnerischen Anführer festsetzte, gaben die dann führungslosen Krieger meistens auf. Im 15. Jahrhundert diente Gomera den Conquistadoren als Trainingslager für Eroberungstechniken in Mittel- und Südamerika. Nun hat sich die Lage verkehrt. Das Ziel der Eroberer ist nun Gomera und gelernt haben sie auf Mallorca, Teneriffa und Gran Canaria.

Das muß man auch sagen. Durch den Tourismus wurde die Inselflucht gestoppt, die ihren Höhepunkt in der Wirtschaftskrise der 50er Jahre fand. Da waren es dann mehr Emigranten als Bananen, die von Gomera nach Mittelamerika, vor allem Kuba und später dann Venezuela, kamen.

Vollkornmehl hat er bereits gefunden in der Bäckerei am Berg und dann sieht er die Bio-Bar, die Zumeria, der Vitaminfreund atmet durch. Wie saugende Insekten hängen sie an ihren Strohhalmen. Hier gibt es Milchmixgetränke aller Art. Und da zwangsläufig die „Neuen“ vorbeiziehen, ist diese Stätte auch sprudelnder Quell der Lokalnachrichten.

Die Gäste hatten nach Schnaps verlangt, deutsche Unbeschwertheit zum besten gegeben und der Wirt hatte geschlossen. „I'm tired“ und war gegangen, abends kurz nach acht. Die Deutschen waren erstaunt. Das milde ausgeglichene Klima ermöglicht das Baden über das ganze Jahr, sagt der Reiseführer. Vom Schirokko kein Wort. Ein Sandsturm aus der Sahara, der maximal drei Tage dauert, wie einer versichert, der schon mal da war. Nach sechs Tagen Schirokko sucht man die Ablenkung: Der biologisch Interessierte betreibt Kleinsttierstudien im Apartment. Blatta orientalis, Kakerlaken sind friedfertige aber verletzliche Tiere, die der ganzen Aufmerksamkeit des Menschen bedürfen. Gelingt es, durch einfühlsame Zuwendung die anfängliche Scheu der kleinen Wesen abzubauen, können sie große Zutraulichkeit entwickeln und werden zu einem treuen Partner.

Der kleine Thomas tritt der Frau, die gerade das Restaurant betritt, in den Unterleib. Das braucht der Siebenjährige, denn der natürliche Spieltrieb des Kindes darf nicht unterdrückt werden. Seine Mutter am Nebentisch lächelt verständnisvoll. Auch ich bekomme völlig unerwartet von hinten einen heftigen Schlag. Antiautoritär erzogene Kinder sind keine Duckmäuser.

„Gomero, no vendas tu tierra“, Gomerer, verkauf dein Land nicht - ein Graffito zwischen Bananenplantage und Strand. Joghurtbecher, Shampooflaschen und Intimpflege. Die Dinge, die auf dem Meer treiben, erinnern an das, was man beim Einkaufen nicht vergessen soll. Das unangenehme Geräusch von aufeinanderschlagenden Steinen deutet es an: Baden hier nur unter Verletzungsgefahr. In einem 30 mal 12 Meter großem Areal, das der Reiseführer als Strand ausweist, bräunt man im Kollektiv, alles ganz ungezwungen. Wo sind die Animateure, mag mancher denken. Schwarzbraune Flecken auf dem Badehandtuch. Erdöl ist eine organische Substanz. Was die Natur erzeugt, kann so schlecht nicht sein.

Gegen Mitternacht verplant man den nächsten Tag, um drei spricht niemand mehr davon. Die Route der Nacht scheint programmiert. Von der Strandbar, die die Einheimischen „Affenhügel“ nennen, zur Disko in die kleine Kneipe am Dorfausgang. Dort sitzen auch ein paar richtige Spanier mit braunen Augen und schwarzen Haaren, die sich aber bescheiden zurückziehen, wenn die deutschen Individualtouristen zu fortgeschrittener Stunde einfallen.

Landschaftlich ist Gomera reizvoll. Die Vegetationsformen seien vielfältig, erzählen Wanderer.

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