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heute in hamburg„Lauter Dinge, die Frauen kaum taten“

Zoom-Gespräch mit Cornelia Bartsch und Andreas Speit (taz-Autor und Rechtsextremismuskenner: 20.15 Uhr, Teilnahme kostenlos. Anmeldung per E-Mail an lab@lichthof-theater.de.

Interview Alexander Diehl

taz: Frau Bartsch, müssen – dürfen – wir uns die Komponistin Ethel Smyth als eine außergewöhnliche Frau vorstellen?

Cornelia Bartsch: Für ihre Zeit auf jeden Fall.

Smyth hat gelebt von 1858 bis 1944.

Sie hat lauter Dinge getan, die Frauen damals in den seltensten Fällen getan haben. In einer Familie wie ihrer, also englische Oberschicht, war es üblich, dass die Töchter verheiratet wurden, das war auch bei ihren Schwestern so – dem hat Ethel sich massiv verweigert: Sie wollte Musik machen. Musik war in solchen Familien den Frauen zwar erlaubt, sogar erwünscht, aber nur zur Zierde und innerhalb des Hauses. Bei Ethel Smyth war dagegen klar: Sie wollte sich professionalisieren und dafür auch ins Ausland gehen.

Das hieß nach Deutschland: Studiert hat sie ab 1877 zunächst am renommierten Konservatorium in Leipzig, später dann privat.

Die Eltern haben sie irgendwann dorthin gehen lassen in der Erwartung, dass sie nach einem halben Jahr bekehrt sein würde. Das war aber nicht der Fall. Sie hat ihre musikalische Karriere gegen massiven Widerstand betrieben – und das mit Erfolg. Das glaubt man heute nicht mehr, weil ihre Opern leider nicht mehr im Repertoire sind. Aber Opern auf die Bühne zu kriegen, war auch für Männer schwierig, wenn sie nicht bekannt waren – und sie hat das hinbekommen. „Der Wald“ …

… dessen freie Bearbeitung das Lichthof-Theater noch bis Sonntag als Stream im Programm hat …

… wurde sogar an der Metropolitan-Opera in New York aufgeführt.

Smyth war auch Teil der Suffragettenbewegung, kämpfte für das Frauenwahlrecht. Wie verhält sich ihr Aufbegehren gegen Konventionen und Rollenvorstellungen innerhalb der Musik und des Musikbetriebs zu diesem allgemeiner politischen Engagement?

Es gibt dazu Aussagen von Smyth selbst – sie hat ja auch noch zehn Bücher geschrieben. Ein recht bekanntes Zitat in diesem Zusammenhang ist, dass Musik und Politik nicht zusammengingen, weshalb sie zwei Jahre ihres Lebens nun ausschließlich der Politik widmen wolle …

… von 1910 bis 1912 …

… genau zu einer Zeit, als sie die ersten Erfolge mit ihrer Musik hatte, nach den ersten Opernaufführungen. Aus Briefen wissen wir aber: Auch in dieser Zeit bei den Suffragetten hat sie weiter komponiert. Ich würde auch sagen, dass Smyths Musik politisch ist, wenn man sie genauer kennenlernt.

Inwiefern?

„Der Wald“ ist schwerer zu erschließen, weil es weder Aufnahmen noch eine verfügbare gedruckte Partitur gibt. Bei einer anderen Oper, „The Wreckers“, ist die Lage etwas besser. Bei beiden haben wir ähnliche Personenkonstellationen: Hier wie da gibt es eine zentrale Frauenfigur, die nicht recht Teil einer Gemeinschaft ist. Und die besetzt sie stimmlich ganz anders, als das damals in der Oper üblich war.

Foto: Nina Fischer

Cornelia Bartsch

61, Kultur- und Musikwissenschaftlerin und Mitherausgeberin des Bandes „Felsensprengerin, Brückenbauerin, Wegbereiterin. Die Komponistin Ethel Smyth“ (Allitera Verlag 2009, 264 S., 28 Euro).

Nämlich?

Beide Male singen diese ausgeschlossenen, jungen und zugleich aber begehrenswerten Frauen eher in einer Mezzo-Lage. Umgekehrt gibt es beispielsweise in einer weiteren Smyth-Oper …

… „The Boatswains Mate“ von 1813/14 …

… eine ältere Witwe, die sie mit einem hohem Sopran besetzt. Diese Oper ist explizit feministisch, da kommt in der Ouvertüre sogar ihr „The March of Women“ vor.

Also eine, wenn nicht die Hymne der englischen Frauenbewegung überhaupt.

Und diese Frauenfigur äußert dann auch noch ihr ziemlich unkonventionelles Begehren – während ältere Frauen typischerweise Gouvernanten oder Dienerinnen oder irgendwie böse sind. Aber dass sie ihre Lust auf die Welt äußern und auf Begegnungen jeglicher Art? Da schreibt Smyth dann gegen eine musikalische, eine Stimmkonvention an, ohne dass sie dazu ein Programm oder Ähnliches verfasst hat. Ich könnte mir vorstellen, dass Smyth die damals typischen Opernrollen einfach zuwider waren.

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