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heute in hamburg„Uns wird das Vertrauen entzogen“

Onlinediskussion:

„Ein Kopftuchverbot durch die Hintertür?“: 18 Uhr, Zugang über www.facebook.com/schurahamburg.de

Interview Lukas Door

taz: Frau Nas, verbirgt sich hinter dem Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbildes von Be­am­t*in­nen ein Kopftuchverbot?

Özlem Nas: Das hängt davon ab, wie die einzelnen Bundesländer mit dieser Ermächtigungsgrundlage umgehen. Das Gesetz kommt einem Berufsverbot gleich und ermöglicht die Diskriminierung auf Basis äußerlicher religiöser Merkmale. In einigen Fällen wird das zu einem Kopftuchverbot führen. Für Hamburg bin ich momentan zuversichtlich. Die Schura Hamburg hat einen Vertrag mit der Stadt abgeschlossen, in dem die religiöse Kleidung der muslimischen Frau explizit geschützt wird. Wir sind dadurch in einer Sondersituation. Bundesweit sendet das Gesetz nichtsdestotrotz ein sehr negatives Signal im Hinblick auf den Stellenwert der muslimischen Frau. Es suggeriert, dass wir für manche Berufe nicht geeignet seien. Wegen Vorurteilen ist es als muslimische Frau ohnehin schon schwer, bestimmte Berufe in Deutschland auszuüben. Das Gesetz verstärkt diese Tendenzen natürlich. Das ist schwer verdaulich.

Sehen Sie dieses Gesetz als potenziellen Angriff auf die muslimische Frau?

Ausschlaggebend für das Gesetz waren ja eigentlich rechtsextreme Tätowierungen. Es ist sehr bedauerlich, dass direkt versucht wird, das Kopftuch in den gleichen Topf zu werfen. Die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt wird für muslimische Frauen unmöglich gemacht. Das hat mit Demokratie und Vielfältigkeit herzlich wenig zu tun.

Wer wäre konkret betroffen?

Kirsten Haarmann

Özlem Nas

47, ist Erziehungswissenschaftlerin, Turkologin und Vorstandsmitglied der Schura Hamburg.

In Hamburg arbeiten einige verbeamtete Lehrerinnen, die Kopftücher tragen. Sollte Hamburg diesem Gesetz folgen, würde das für diese Frauen bedeuten, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausführen könnten – unabhängig von ihrer Qualifikation. Aufgrund des Aussehens wird uns also Vertrauen und auch der Beruf entzogen sowie ein bestimmtes Weltbild unterstellt. Muslimische Frauen werden hier von oberen gesellschaftlichen Ebenen verdrängt.

Appellieren Sie also an die Landesregierungen?

Genau. Man muss mit jedem Bundesland in Dialog treten. Deswegen haben wir auch sofort den Senat und die religionspolitischen Spre­che­r*in­nen kontaktiert. Wenn wir aus repräsentativen Berufen mit Vorbildcharakter ausgeschlossen werden, spielen wir Rassisten genau in die Hände. Die Diskriminierung muslimischer Frauen darf nicht einfach schulterzuckend hingenommen werden.

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