heute in hamburg: „Ich bin für Leben auf dem Friedhof“
Aktivierung des Schrankensystems auf dem Ohlsdorfer Friedhof: 10.30 Uhr, Mittelallee/Ida-Ehre-Allee
Interview Paula Bäurich
taz: Frau Anicic, hatten Sie den vergangenen Jahren noch das Gefühl, in Ohlsdorf auf einem Friedhof zu arbeiten?
Heidi Anicic: Für mich persönlich, genau wie für meine Kolleginnen und Kollegen, fühlt es sich natürlich noch immer nach einem Friedhof an. Wer diesen Ort aber nicht mehr als einen Friedhof wahrnimmt, sind häufig die Menschen, die hier mit ihren Autos durchfahren oder die Sport auf dem Friedhof machen.
Wo sehen Sie da das Problem?
Es ist deutlich zu spüren, dass diese Menschen kein Bewusstsein dafür haben, dass das hier ein Friedhof und somit ein besonderer Ort ist. Der Respekt vor trauernden Menschen ist vielen verloren gegangen. Deswegen befürworte ich den Bau der Schranke, die den Durchgangsverkehr unterbindet, sehr.
Wann stören Sie die Autos auf dem Friedhof besonders?
Am schlimmsten ist es für mich immer dann gewesen, wenn wir mit dem Trauerzug über den Friedhof gelaufen sind und die Menschen, die den Friedhof als Abkürzung nutzten, es nicht geschafft haben, respektvoll das Auto abzustellen und zu warten. Viele sind einfach weitergefahren oder haben sogar gehupt.
Wie ist das für die Trauernden?
Der Verkehr hat die Trauer der Angehörigen sehr gestört. Auch wenn man das Grab besucht und nur Verkehrsrauschen hört, ist das sehr unangenehm.
Glauben Sie, die Schranke, die heute offiziell in Betrieb gehen soll, bringt die Stille und damit auch den Respekt auf den Friedhof zurück?
Ich denke, die Stille kommt auf jeden Fall wieder. Aber das allein reicht glaube ich nicht, um auch den Respekt zurückzubringen. Da muss woanders angesetzt werden, zum Beispiel indem man in den Familien darüber spricht, was ein Friedhof für eine Bedeutung hat.
Warum muss ein Friedhof eigentlich so still sein? Gehören Leben und Tod nicht zusammen?
Ich bin dafür, Leben auf den Friedhof zu bringen. Zum Beispiel spielen wir auch draußen oft Musik bei Trauerfeiern. Ich bin auch der Idee nicht abgeneigt, Kapellen zum Beispiel für Seminare oder als Kindergarten zu nutzen. Aber ich finde, Autofahrer, die zu schnell und respektlos über den Friedhof fahren und ihn als Durchfahrt nutzen, stören die Besinnlichkeit.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen