heute in hamburg: „Die Stadt sollte Optionen prüfen“
Kundgebung:Linke Projekte verteidigen! Fährstraße 115 bleibt! 14 Uhr, Millerntorplatz 1
Interview Deborah Kircheis
taz: Frau Möbus, was ginge verloren, wenn die Fährstraße 115 abgerissen werden sollte?
Julia Möbus: Jede Menge. Zum Beispiel Wohnraum für 16 Personen aller Altersgruppen und ein Veranstaltungsort für private, unkommerzielle Kulturangebote, die sonst keinen Raum finden. Außerdem ein Anlaufpunkt für Gruppen und Einzelpersonen aus Wilhelmsburg und Umgebung, die sich hier für politische Arbeit und gemeinsame Aktivitäten treffen können.
Müssen solche Angebote an ein spezielles Gebäude gebunden sein?
Wir leben seit 13 Jahren hier und diejenigen, die von Beginn an dabei waren, haben das Haus in Eigenarbeit saniert. Es stecken viel Arbeit und Erinnerungen darin. Außerdem ist es unmöglich, ein anderes Haus mit denselben Kriterien und mit dem selben günstigen Mietpreis in Wilhelmsburg zu bekommen. In diesem Stadtteil sind wir gut vernetzt und darum möchten wir bleiben.
Wie sieht es momentan denn aus?
Wir wollten das Haus zusammen mit dem Mietshäusersyndikat kaufen. Stattdessen hat der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) den Auftrag von der Stadt bekommen, unser Haus zu kaufen, damit dort ein Deichschutzstreifen entstehen kann. Wir haben Widerspruch gegen die Nutzung des Vorkaufsrechts durch die Stadt eingelegt. Als wir darum gebeten haben, das Verfahren zu pausieren, wurde das einfach abgelehnt. Deshalb mussten wir nun klagen.
Auf der einen Seite wollen Sie das Haus erhalten. Andererseits soll die Stadt vor Sturmfluten geschützt werden. Gibt es denn eine Lösung für diesen Konflikt?
Julia Möbus 38, ist Bewohnerin der Fährstraße 115 und macht gerade ihre Handwerksmeisterin.
Wir sprechen uns absolut für den Hochwasserschutz aus. In diesem Fall geht es ja darum, den Deich zu erhöhen. Das Haus soll nur wegen des Deichschutzstreifens abgerissen werden. Aber es gibt Ideen, wie man den Deich erhöhen kann, die keinen Schutzstreifen erfordern. Auch der Ingenieur, der in unserem Haus wohnt, hat das bestätigt. Diese Optionen sollte die Stadt zumindest einmal prüfen, bevor unser Haus provisorisch entfernt wird.
Und darum geht es bei der Kundgebung?
Mit der Kundgebung wollen wir während der Arbeitszeit des LIG vor ihrem Gebäude ihren Arbeitsalltag durcheinander bringen und damit Öffentlichkeit für unser Anliegen schaffen. Es geht uns nicht darum, die Gefahr von Sturmfluten klein zu reden, sondern zu zeigen, dass Hochwasserschutz auch anders geht.
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