piwik no script img

heute in hamburg„Es gab auch Kämpferinnen an der Front“

Lesung „Mujeres libres. Libertäre Kämpferinnen“: 20 Uhr, Libertäres Kultur- und Aktionszen­trum Schwarze Katze, Fettstraße 23. Eintritt frei

Interview Katharina Gebauer

taz: Frau Bianchi, wer sind die Mujeres libres?

Vera Bianchi: Direkt übersetzt heißen sie: freie Frauen. Sie kämpften in Spanien für die Gleichberechtigung der Frauen und waren überzeugt davon, dass diese nur frei sein konnten, wenn sie ökonomisch unabhängig waren. Ihr Schwerpunkt lag deshalb auf Bildungsmöglichkeiten für Frauen, denn viele konnten nur sechs Jahre zur Schule gehen und mussten sich den Rest gegenseitig lehren.

Wie ist diese Frauengruppe denn entstanden?

Die Frauen waren bereits vor dem spanischen Bürgerkrieg in der anarchistischen Bewegung aktiv. Kurz vor Ausbruch des Krieges entstand die Frauengruppe dann innerhalb der Bewegung. Spanien hatte damals mit die größte anarchistische Arbeiterbewegung. Diese sprach sich zwar für Gleichberechtigung aus, praktisch sah das besonders in den 1930er-Jahren jedoch anders aus. Der Verein war von Männern dominiert, es gab sexistisches wie patriarchalisches Denken. Bis dann drei Frauen aus der Bewegung beschlossen, die Mujeres li­bres zu gründen. Es gab viel Zulauf, auch von Frauen, die nicht der anarchistischen Bewegung angehörten, aber an der sozialen Revolution beteiligt sein wollten. So vergrößerte sich die Gruppe in kürzester Zeit auf 20.000 Frauen.

Wofür haben sich die libertären Kämpferinnen konkret eingesetzt?

Vera Bianchi, 45, ist Historikerin mit den Schwerpunkten soziale Bewegungen und Frauengeschichte.

Sie haben die republikanische Seite – die gewählte Regierung – an der Front unterstützt, daneben gab es eine reine Frauenmiliz. Sie halfen zudem Frauen, die sich aus ökonomischen Gründen prostituierten. Die Prostituierten galten im Gegensatz zu den Freiern als unmoralisch und konnten sogar vor Gericht verurteilt werden. Diese Doppelmoral wollten die freien Frauen abschaffen: In Madrid und Barcelona gab es sogenannte Befreiungshäuser, hier gab es medizinische Hilfe sowie psychologische und berufliche Beratung. Außerdem setzte sich die Gruppe für die damals revolutionäre Pädagogik der Koedukation ein, also für die gemeinsame Bildung von Jungen und Mädchen. Denn, so ihre Idee, nur freie Kinder könnten später eine freie Gesellschaft bilden.

Wirkt das Handeln der Gruppe denn bis heute vor?

Die Geschichtsschreibung des spanischen Bürgerkriegs war bis vor 40 Jahren komplett männlich dominiert. Es gab aber nicht nur Frontkämpfer, sondern auch Frontkämpferinnen! Das Handeln der Frauen ist bis in die 1970er-Jahre verschleiert worden. Die Bedeutung und der Einfluss der Frauen auf die Geschichte müssen sichtbar gemacht werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen