heute in hamburg: „Männlichkeit nicht nur bei Männern“
Vortrag „Kritische Männlichkeitsforschung und Feminismus“: 18 Uhr, Café Knallhart, Von-Melle-Park 9, Eintritt frei
Interview Till Wimmer
taz: Herr Greif, „Ich bin ein Mann“ – Ist diese Aussage wissenschaftlich haltbar?
Philippe Greif: Die Frage ist ja, welche Implikationen ergeben sich aus dem Selbstverständnis Mann. Es gibt ja ganz unterschiedliche Verständnisse davon, was Mann-Sein bedeutet. Für manche gehört da ein Penis in der biologischen Erscheinung dazu und für andere nicht.
Und was bedeutet Männlichkeit aus der Perspektive der kritischen Männlichkeitsforschung?
Aus dieser Perspektive ist es spannend, Männlichkeit als geschlechtliche Kategorie zu pluralisieren, um die Vielseitigkeit von Lebenslagen von Männern entlang ihrer gesellschaftlichen Positionierung in Macht- und Ungleichheitsverhältnissen zu erfassen und theo-retisierbar zu machen.
Was bedeutet hegemoniale Männlichkeit?
In erster Linie ist das ein theoretisches Konzept, das die australische Soziologin Reawyn Connell Mitte der 80er-Jahre entwickelt hat. Es ist eines der Leitkonzepte der kritischen Männlichkeitsforschung. Demnach gibt es verschiedene Männlichkeiten, die zueinander in einem hierarchischen Verhältnis angeordnet sind.
Welche sind das?
Connell unterscheidet zwischen hegemonialer, komplizenhafter, marginalisierter und untergeordneter Männlichkeit. Deren Verhältnisse untereinander sind hierarchisch und verweisen auf verschiedene Verhältnisse sozialer Ungleichheit. Die Frage, was sich hinter dem Begriff hegemonialer Männlichkeit verbirgt, greift zugleich eine Kritik an diesem Konzept auf, wonach diese Bezeichnung doch recht diffus ist und es unterschiedliche Auffassungen davon gibt, was diese bedeuten können.
Philippe Greif, 36, ist Diplom-Politologe und Mitarbeiter bei dem Institut Dissens in Berlin.
Ist ein Bündnis zwischen kritischer Männlichkeit und Feminismus möglich?
Dazu müsste man Feministinnen fragen. Seit der Entstehung der kritischen Männlichkeitsforschung in den 80er-Jahren hat es schon immer ein Spannungsverhältnis zu feministischen Perspektiven gegeben. Ich würde sagen, Bündnisse sind möglich, aber die Frage ist, welcher Perspektiven und welcher Reflexivität es dafür insbesondere bei Männern bedarf.
Gibt es Männlichkeit nur bei Männern?
Das ist eine wichtige Frage. Ich persönlich sehe es kritisch, wenn man Männlichkeit nur bei Männern untersucht. Forschungsleitend finde ich es interessanter, Männlichkeit als Kategorie zu sehen, die nicht an das biologische Geschlecht gebunden ist.
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