piwik no script img

heute in hamburg„Es muss mehr Freiraum für Insekten her“

Faktencheck „Insektensterben“: 18 Uhr, Zoologisches Museum im Centrum für Naturkunde (Cenak), Bundesstraße 52, Eintritt frei

Interview Katharina Gebauer

taz: Herr Husemann, müssen wir unsere Obst- und Gemüsepflanzen bald selbst bestäuben?

Martin Husemann: Nein, so schnell wird das nicht gehen. Es gibt noch genug Bienen, gerade Honigbienen werden durch den Imker-Boom wieder mehr. Allerdings kann die Qualität durchaus leiden, und da nicht genug Stäuber vorhanden sind, haben wir weniger Ertrag. Mittlerweile müssen Bienen teilweise in Lastwagen umhertransportiert werden, hier in Deutschland zwar noch nicht so häufig, in anderen Länder aber schon.

Was sind die Hauptursachen für das Artensterben?

Man kann das nicht an einer Sache festmachen, sondern muss die Gesamtheit der Faktoren sehen. Die Intensität der Landwirtschaft spielt eine große Rolle. Der Lebensraum wird kleiner und die Qualität der Pflanzen verschlechtert sich. Diese Kombination ist sehr schwierig für die Insekten, denn das, was vorhanden ist, ist zunehmend isoliert voneinander.

Mit welchen negativen Auswirkungen müssen wir Menschen in Zukunft rechnen?

Aufgrund der fehlenden natürlichen Regulierung wird es mehr Schädlinge geben und die Erträge durch Bestäubung werden zurückgehen, da Wildbienen die besseren Bestäuber für spezielle Pflanzen sind, das können Honigbienen auf lange Sicht nicht kompensieren.

Welche Lösungsansätze gibt es momentan?

In erster Linie bringt uns mehr Öffentlichkeitsarbeit weiter, denn das Problem muss verstanden werden. Durch die sogenannte Krefeld-Studie wurde das Thema 2017 losgetreten und ein Volksbegehren in Bayern zeigt jetzt, dass der Einsatz der breiten Masse Druck auf die Politik ausüben kann. Es benötigt außerdem ein Umdenken in der Landwirtschaft, es muss mehr Bio produziert werden und mehr Habitat für die Insekten entstehen.

Martin Husemann, 36, ist Leiter der Abteilung Entomologie im Cenak und forscht im In- und Ausland.

Inwiefern bringen uns reine Fakten im Kampf gegen das Insektensterben weiter?

Die Fakten alleine helfen uns zu verstehen, was die Ursachen sind, denn erst dann kann gehandelt werden. Die Umsetzung des Forschungsstandes ist ausschlaggebend für eine Veränderung, nur so kann etwa bewegt werden.

Und was darüber hinaus konkret getan werden?

Es braucht eine bessere Vernetzung der Lebensräume und weniger Pestizide. Es muss insgesamt mehr Freiraum für die Insekten her.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen