piwik no script img

heute in hamburg„An Pflegekräften wird immer mehr gespart“

Christoph Kranich, 64, ist Sprecher des Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus. Er leitet die Abteilung für Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale.

Interview Gernot Knödler

taz: Herr Kranich, wie ist es um die Pflege in den Krankenhäusern bestellt?

Christoph Kranich: Die Pflegekräfte bluten zunehmend aus, weil es immer weniger davon gibt, pro Patient etwa halb so viel wie in vergleichbaren Ländern um uns herum. Das heißt, die haben doppelt so viel und so schnell zu arbeiten.

Wie ist das Zahlenverhältnis zwischen Pflegern und Patienten?

In Deutschland hat eine Fachpflegekraft 13,5 Patienten zu betreuen. In Norwegen oder den USA sind das deutlich weniger als halb so viele. Das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus will aber auch mehr, beständigeres und besser geschultes Personal bei den Hebammen und der Gebäudereinigung. Am wenigsten problematisch ist die Versorgung mit Ärzten. Die Krankenhäuser haben in den letzten 25 Jahren zwei Drittel mehr Ärzte bekommen, aber nicht mehr Pflegekräfte.

Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis hat von „massiven Fehlanreizen“ gesprochen.

Die Fallpauschalen – für jede gleichartige Behandlung bekommt man das gleiche Geld – sorgen dafür, dass nur die lukrativen Behandlungen gerne und häufig durchgeführt werden. In diesem System bringen die Ärzte das Geld, aber die Pflege kostet nur. Deswegen versuchen die Krankenhäuser, immer mehr Ärzte einzustellen und an Pflegekräften zu sparen.

Wer könnte das ändern?

Die Fallpauschalen beruhen auf einem Bundesgesetz. Hamburg könnte sich aber ordentlich an den Investitionskosten der Krankenhäuser beteiligen.

Das tut die Stadt ja ohnehin schon.

Aber nicht ausreichend.

Wer soll festlegen, was ausreicht?

Dazu berufen wir uns auf ein Gutachten von Bert Rürup, einem Ökonomen, der die volkswirtschaftliche Investitionsquote von 18 Prozent mit der in den Krankenhäusern – 3,5 Prozent – verglichen hat. Vor 25 Jahren lag sie bei mehr als zehn Prozent. Rürüp findet, dass die Länder um die 8,6 Prozent der Gesamtkosten aufbringen müssten.

Die Investitionen fließen aber nicht ins Personal, sondern in Gebäude und Geräte.

Wenn die Länder nicht genug für Investitionen bezahlen, wird das Geld von den Pflegesätzen genommen.

Ist das nicht illegal?

Das ist leider vom Krankenhausfinanzierungsgesetz geduldet.

Protest zur Festlegung von Personaluntergrenzen im Krankenhaus, 10 Uhr, Hamburgische Krankenhausgesellschaft, Burchardstr. 19

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen